Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 37.1926

DOI Artikel:
Geron, Heinrich: Das Problem des Konstruktiven: eine Erörterung zum Wesen der Architektur
DOI Artikel:
Behrens, Peter: Erst eine spätere Zeit
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.10704#0253

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
INNEN-DEKORATION

229

der Lebensgehalt gleichfalls abstrakt, genau wie in der
Musik nichts als eine Idee; Gestaltung aber heißt Leib-
gebung von tastbarer Körperlichkeit, Sichtbarmachung
mit endlichem Material unter völlig rationaler Bindung an
Dimensionen. Abstraktion ist immer Gehalt an sich; die
abstrakte, funktionell bestimmte Bau-Idee wird durch
die konstruktive B a u f o r m erschaffen..........

Die plastischen Elemente des Bauschaffens sind Form,
Stoff und Gewicht. Die Form wird aus Ausdruck des
utilitarisch Gewollten erfunden; ihre Realisations-Fähig-
keit muß verbürgt sein, daher ist sie an Stoff und Gewicht
gebunden. Stoff und Gewicht können für die konstruk-
tive Bauform ausschlaggebende Bedeutung annehmen;
Betonbauten sehen anders aus als Holzhäuser, Hochbauten
verdanken Wesentliches in ihrer Linie den Fragen des
Gewichts. Die harmonische Verteilung der Massen,
Sache der Proportionierung in der Dimension, ist durch
Stoff und Gewicht bestimmt; die Hohlform der Baumasse
an sich selber bestimmt die Gestalt des Raums. Raum-
gestaltung, Abgrenzung von Raum oder Räumen aus dem
Allraum ist die sachliche Tätigung der Architektur. Der
ästhetisch-künstlerische Rang eines Bauwerks läßt sich an
der organisch-konstruktiven Lösung der Zweckform ab-
lesen; die Originalität, die ursprüngliche Anpackung der
Aufgabe ist es, die den Genius des Baukünstlers über
das ledigliche Handwerkskönnen erhebt.........

Es ist kein Zufall, daß die Geschichte der Architektur
in Europa anfangs die Geschichte des konstruktiven
Könnens ist. Die Griechen kannten die Horizontal-Ver-
tikal-Konstruktion, Säulen und flaches Dach. Die Etrusker
konnten Bogen bauen. Die Römer wußten beides zu
kombinieren, so waren sie zu höheren Leistungen er-
mächtigt. Sie, die Modelle europäischer Baukunst schufen,
dachten von der Architektur wie Ingenieure, die Werke

des Vitruvius sehen wie Geometrie-Lehrbücher aus. Die
nachrömische Baukunst variiert die Grundform auf der
Basis des einmal erreichten Könnens; die Gotiker dachten
in Zahlen, errechneten Wunder dynamischer Form.
Gegen 1400, als die Renaissance tagte, wurde das kon-
struktive Können erweitert, als Filippo Brunellesco die
erste Kuppel realisierte. Weil er besser konstruieren und
seinen neuen Raumform-Ideen Leib geben konnte, ward
er der große und entscheidende Baukünstler seiner Zeit.

Heute steht die Architektur auf einem damals kaum
erträumten Höchstpunkt allgemeinen technischen Ver-
mögens; an neuen Ideen ist Überfluß; Variation und
Neukombination, Verfeinung und Vereinfachung der
Elemente, Bereicherung des Aufgabenkreises durch die
besondere Artung unserer Zivilisation lassen unendliche
Möglichkeiten zu; ein zeitgemäßer welthafter Ausdruck
in der Baugestalt wird ertrachtet; es ist ganz zurecht, daß
überall das Konstruktive im Mittelpunkt steht. Denn jen-
seits schöpferischer Konstruktion ist das Bauen nichts
anderes als Arbeit für den Maurer. . . . Heinrich geron.



ERST EINE SPÄTERE ZEIT wird erkennen, wie groß
, der Abstand einer erfinderischen, kühnen, selbstbe-
wußten Technik vom sterilen Eklektizismus auf der anderen
Seite war. So liegen noch sehr die Interessengebiete des
Tat-Menschen und des empfindsamen unbeeinflußt neben-
einander, und unsere Zeit hat noch nicht die Einheitlich-
keit in ihrem geistigen Ausdruck, der die Bedingung und
das Zeugnis zugleich für eine ihr gemäße Formensprache
wäre. . Es ist eine Frage von Bedeutung für die Ge-
schichte menschlichen Geistes, ob und wann es gelingen
wird, die technischen Errungenschaften selbst zum Aus-
druck einer höheren Wirklichkeit werden zu lassen, zu dem,
das man als den Stil einer Zeit bezeichnet. . . p. Behrens.

emil fahrenkamp-düsseldorf. bank im garderobe-raum. kasino »vier jahreszeiten«
 
Annotationen