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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 37.1926

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Schiebelhuth, Hans: Vom Wesen der Gardine, [1]: sie orchestriert das Tageslicht
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https://doi.org/10.11588/diglit.10704#0305

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INNEN-DEKORATION

281

architekt hanns hübbers-düsseldorf wintergarten mit tdllgard1ne

VOM WESEN DER GARDINE

sie orchestriert das tageslicht

Die Gardine hat ein dreifach nützliches Wesen. Ein- und dem darin harmonisierten Menschen zugute kommt,
mal von der Natur des Fensters her betrachtet zur Zum Zweiten: der dekorative Rang der Gardine ist ein
Bändigung und Regelung des Lichts, also einen prakti- außerordentlicher hoher. Da das eigentlichste Wesen des
sehen Zweck. Zum andern Mal für die Natur des Fens- Innenraums auf Geschlossenheit und Abgeschlossenheit
ters vom Gesamt-Wohnorganismus her betrachtet als Zier- ausgeht, ist das übliche Fenster, etwas grob gesagt, ein
rat und Verlebendigung, also einen dekorativen Rang. Loch im Zimmer oder aus dem Zimmer (es reißt die At-
Zum dritten Mal aber hat sie einen Wert, der die mensch- mosphäre eher hinaus als sie einzuschließen), eine Lücke
liehe Psychologie (nicht nur die des Wohners sondern in der Wand (es hebt die Illusion der Fläche auf, anstatt
auch der Umwohnenden) betrifft: als ein schirmender sie zu bestätigen). Durch diese Raum-Feindlichkeit des
Schleier — (Gardine kommt nämlich von französisch Fensters, diese Einbezogenheit der Innenwelt in die Außen-
»garder«: schützen, hüten) — den unser »Wille zum weit, oder das Hereindrängen der Außenwelt in das
Privaten« hätte erfinden müssen, wenn ihm nicht der Zimmer, die das Fenster unabänderlich zwangsmäßig voll-
praktische und dekorative Sinn zuvorgekommen wäre. . zieht, wird eine dekorative Aufgabe für die Gardine ge-
Zum Ersten: mit der Natur des Fensters hat die Gar- schaffen: sie leistet den vermittelnden Ubergang. Dazu
dine nur insoweit zu tun, als das Fenster Auge des Raums, kommt noch ihr im engeren Sinn zierhafter Wert neben
Licht-Einfall, ist. Nicht aber insoweit das Fenster, Luft- all den anderen Gegenständen der Zimmer-Einrichtung;

quelle und Atemorgan ist. Trotzdem sieht es sehr schön sie bringt immer eine Note Freundlichkeit herein.....

aus, wenn mal ein liebes Lüftchen mit dem zarten Ge- In unserem Klima ist die Gardine als dekoratives
tülle kosend spielt. Praktisch besorgt die Gardine alles, Moment viel wichtiger und unentbehrlicher als zum Bei-
was als »Diffusion des einfallenden Außenlichts« bezeich- spiel im sonnigen Süden, wo das Nüchterne, Karge, Strenge
net werden kann, das heißt für den Fremdwortfeind: der plastischen Form sogar in der Innendekoration sehr
Zerstreuung, Verteilung, Abstimmung, Dämpfung, Däm- schroffe Übergänge verträgt. Hierzuland hat ja auch der
mung, Führung, Verformung, Zurichtung. . Was die Gar- Himmel Gardinen, man nennt sie Wolken; die Erde Gar-
dine dabei leistet oder leisten sollte, läßt sich nur musika- dinen, man nennt sie Nebel; und sogar das menschliche
lisch ausdrücken: sie »orchestriert« das Tageslicht, und Gemüt hat gerne Gardinen, die ihm wohlanstehen, solang
zwar so, daß dieses dem im Innenraum schon vorhande- sie nicht Wolken des Trübsinns und Nebel der Lebens-
nen Orchester von lebendigen Dingen und Gegenständen Verneinung sind. . . (schluss folgt.) hans schiebelhuth.
 
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