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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 37.1926

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Schiebelhuth, Hans: Vom Wesen der Gardine, [2]
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Pinder, Wilhelm: Innenräume
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https://doi.org/10.11588/diglit.10704#0326

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INNEN-DEKO RATION

john d. clarke, f.r.i.b. a.-eastbourne wohnzimmer im haus »crofts«-sussex

VOM WESEN DER GARDINE

(schluss)

Zum Dritten. Der Wert der Gardine für die psychische Widersprecher ist der alte Montaigne. Er erzählt von

Wohlfahrt des Wohners betrifft nicht die Flitter- einem Julius Drusus, dem ein Baumeister anbot, für fünf-

wochen allein. Das luftige Netz vorm Fenster trennt das hundert Pfunde sein Haus so zu beschaffen, daß ihm nie-

Offentliche vom Privaten, schließt die Beobachtung und mand in die Zimmer sehen könne. Worauf der Römer

die Indiskretion aus, sichert die Traulichkeit, verbürgt das dem Architekten erwiderte, er wolle ihm die fünfhundert

Bei-sich-selbst-Sein. Man soll von seinen Mitmenschen Talente geben, wenn er ihm sein Haus so einrichtete,

nichts Schlechtes denken, aber man muß sie deshalb nicht daß ihm alle Welt hineinsehen könne. . Auch mit dieser

nötigen, einem unwillentlich in die Stuben zu gucken. rein moralischen Gardinen-Feindschaft werden wir uns

Die Gardine ist Schleier. Und das besagt, daß es eine abfinden müssen; sinnbildlich möchten wir wohl alle gern

Scham zu wohnen gibt, und eine Bräutlichkeit des Woh- im Haus des Julius Drusus wohnen, sogar ohne dabei eitel

nen-Wollens. Echte und rechte Scham ist eine der ersten und selbstgerecht zu werden, aber in der praktisch-kon-

Menschentugenden. Bei der Scham des Wohnens han- kreten Welt ist uns eben die Kleidsamkeit der Gardine

delt es sich weniger um den Ausschluß der Öffentlichkeit allenthalben not. Denn die Gardine, da sie Kleid des

als um den Willen zum Privaten. Gemeint ist hier mehr Lichts, Kleid des Fensters, Kleid der Wohntraulichkeit

als das Privat des Ankleidezimmers etwa, die persön- ist, muß natürlich »kleidsam« sein. . . hans schiebelhuth.

liehe Lebens-Festlichkeit, die der Mensch im Heim *

mit den Seinen oder mit sich allein begeht. Weniges ist TNNENRÄUME. Ein wirklicher Innenraum ist wie ein

für die geistige Wohlfahrt förderlicher, als z. B. eine J_ erweitertes Kleid des Menschen. Er spiegelt, einem

Stunde täglich unbeobachtet sich selbst zu beobachten. idealen Kleide gleich, die Bewegungsformen des Körpers

* wie die Farben der Seele. Immer ist der Innenraum die

Trotzdem steht dieser »Wille zum Privaten« nicht un- nächste und liebste Grenzsetzung des Menschen selbst, und

widersprochen da. Das alte Sprichwort lehrt, daß geteilte darum nichts zufälliges, so wenig wie Sprache oder Tracht

Freude doppelte Freude ist, und da um die Heimischkeit oder Geberde. Er ist Sprache und vor allem Tracht und

reine Freude herrscht, sollen wir (anstatt die Gardinen Geberde. . Innenraum ist niedergeschlagene Geberdung

aufzuziehen) uns Freunde ins Haus holen, damit wir uns und von uns ausgegangen. Alles was von uns ausgeht, hat

nicht um die hundert Prozent Zinsen bringen. Ein ärgerer eine Richtung: es zeigt irgendwohin. . . wilh. pinder.
 
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