Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 37.1926
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https://doi.org/10.11588/diglit.10704#0360
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Riezler, Walter: Neuromantik in der Baukunst: Abwehr gegen Mechanisierung
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INNEN-DEKORATION
ARCHITEKT GEORG ADLMÜLLER-LAUFEN KÜCHEN-BÜFETT IM LANDHAUS A. M.
NEUROMANTIK IN DER BAUKUNST
ABWEHR GEGEN DIE MECHANISIERUNG
Die »Neu-Romantik« in der Baukunst bedeutet die objektiv gültige Lösungen für das zu Wohnzwecken be-
Flucht vor der allzu logischen, allzusehr von den stimmte Einzelhaus und auch für das Mietshaus bis jetzt
Gesetzen der Konstruktion und den praktischen Forde- eigentlich nur da gefunden sind, wo nur die einfachsten,
rungen beherrschten Form in die Gefilde einer freischaf- kaum individuell differenzierten oder einen reicheren
fenden Phantasie, die unter Umständen die Gesetze der Lebens-Stil anzeigenden Bedürfnisse befriedigt zu werden
konstruktiven Logik verneint, ja verlacht, — die Flucht brauchen. Wir kennen wohl die vollkommene Befriedigung
vor den Notwendigkeiten der sich vollziehenden Typi- der Luxus-Bedürfnisse mit rein zivilisatorischen Mitteln,
sierung und Mechanisierung in das Reich des lebendigen wir freuen uns an einer hochentwickelten »Innen-Archi-
Handwerks und der individuellen »Einzel-Leistung«. . tektur« — und sind doch nicht sicher, damit die eigent-
* liehe Form für unser persönliches Leben zu besitzen. . .
Wo auch für starke Menschen das Bedürfnis besteht, *
zu fliehen, da muß eine »Krisis« vorhanden sein, unter Es ist die Frage, ob wir der täglich wachsenden Macht
der zu leiden das Schicksal eines Teils der Schaffenden der typisierenden Tendenzen wirklich alle individuellen
ist, — während andere davon nicht berührt werden, weil Bedürfnisse zum Opfer bringen müssen. Wir fühlen dunkel
ihre Natur an andere, leichter erfüllbare Forderungen der die Pflicht, uns dieser Verarmung des seelischen Lebens
Zeit ganz hingegeben ist. In der Tat treffen wir hier die zu widersetzen, — ohne doch recht zu wissen, woher uns
Stelle, da die Gegenwart ihre Form noch nicht gefunden die Kraft dazu kommen soll. Dieses seltsame Gefühl der
hat: es ist das Problem des Einzelmenschen, der Unsicherheit ist der Boden, auf dem das Streben der
nach der Zertrümmerung oder doch Schwächung des neuen »Romantiker« erwächst, das nun keineswegs allein
alten Ideals der Persönlichkeit nach neuen Möglich- auf die Schaffung neuer Formen für das individuelle Woh-
keiten der Erfüllung und lebensfähigen Formung sucht, nen gerichtet ist, vielmehr sich ganz allgemein um die
In der Baukunst ist das Einzelhaus zuerst von dieser Rettung der »besonderen«, — nicht typisierten, nicht
Krisis betroffen worden. Es ist kein Zufall, daß wir wohl rein auf Sachlichkeit gegründeten Formen bemüht. Auch
heute bereits eine beträchtliche Anzahl von ausgezeich- ist es von höchster Wichtigkeit, daß diese neue Form
neten Fabriken und Geschäftshäusern besitzen, daß aber nicht etwa individuell ist im Sinne des naturalistischen
INNEN-DEKORATION
ARCHITEKT GEORG ADLMÜLLER-LAUFEN KÜCHEN-BÜFETT IM LANDHAUS A. M.
NEUROMANTIK IN DER BAUKUNST
ABWEHR GEGEN DIE MECHANISIERUNG
Die »Neu-Romantik« in der Baukunst bedeutet die objektiv gültige Lösungen für das zu Wohnzwecken be-
Flucht vor der allzu logischen, allzusehr von den stimmte Einzelhaus und auch für das Mietshaus bis jetzt
Gesetzen der Konstruktion und den praktischen Forde- eigentlich nur da gefunden sind, wo nur die einfachsten,
rungen beherrschten Form in die Gefilde einer freischaf- kaum individuell differenzierten oder einen reicheren
fenden Phantasie, die unter Umständen die Gesetze der Lebens-Stil anzeigenden Bedürfnisse befriedigt zu werden
konstruktiven Logik verneint, ja verlacht, — die Flucht brauchen. Wir kennen wohl die vollkommene Befriedigung
vor den Notwendigkeiten der sich vollziehenden Typi- der Luxus-Bedürfnisse mit rein zivilisatorischen Mitteln,
sierung und Mechanisierung in das Reich des lebendigen wir freuen uns an einer hochentwickelten »Innen-Archi-
Handwerks und der individuellen »Einzel-Leistung«. . tektur« — und sind doch nicht sicher, damit die eigent-
* liehe Form für unser persönliches Leben zu besitzen. . .
Wo auch für starke Menschen das Bedürfnis besteht, *
zu fliehen, da muß eine »Krisis« vorhanden sein, unter Es ist die Frage, ob wir der täglich wachsenden Macht
der zu leiden das Schicksal eines Teils der Schaffenden der typisierenden Tendenzen wirklich alle individuellen
ist, — während andere davon nicht berührt werden, weil Bedürfnisse zum Opfer bringen müssen. Wir fühlen dunkel
ihre Natur an andere, leichter erfüllbare Forderungen der die Pflicht, uns dieser Verarmung des seelischen Lebens
Zeit ganz hingegeben ist. In der Tat treffen wir hier die zu widersetzen, — ohne doch recht zu wissen, woher uns
Stelle, da die Gegenwart ihre Form noch nicht gefunden die Kraft dazu kommen soll. Dieses seltsame Gefühl der
hat: es ist das Problem des Einzelmenschen, der Unsicherheit ist der Boden, auf dem das Streben der
nach der Zertrümmerung oder doch Schwächung des neuen »Romantiker« erwächst, das nun keineswegs allein
alten Ideals der Persönlichkeit nach neuen Möglich- auf die Schaffung neuer Formen für das individuelle Woh-
keiten der Erfüllung und lebensfähigen Formung sucht, nen gerichtet ist, vielmehr sich ganz allgemein um die
In der Baukunst ist das Einzelhaus zuerst von dieser Rettung der »besonderen«, — nicht typisierten, nicht
Krisis betroffen worden. Es ist kein Zufall, daß wir wohl rein auf Sachlichkeit gegründeten Formen bemüht. Auch
heute bereits eine beträchtliche Anzahl von ausgezeich- ist es von höchster Wichtigkeit, daß diese neue Form
neten Fabriken und Geschäftshäusern besitzen, daß aber nicht etwa individuell ist im Sinne des naturalistischen