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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 37.1926

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Michel, Wilhelm: Vom Geheimnis der Arbeitsbewegung: Einfügung in den Arbeits-Rhythmus
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https://doi.org/10.11588/diglit.10704#0401

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INNEN-DEKORATION

375

WERKSTATTEN »HAUS & GARTEN«-WIEN KAMINPLATZ MIT SESSELN U.STEHLAMPE

VOM GEHEIMNIS DER ARBEITSBEWEGUNG

EINFÜGUNG IN DEN ARBEITS-RHYTHMUS

Wenn wir eine körperliche Arbeits-Bewegung
machen, an die wir nicht gewöhnt sind, dann mer-
ken wir erst, wie wir innerlich voll Widerstreben und
Rebellion, voll Unverstand und Stumpfheit stecken. Wir
setzen dem Rhythmus der Arbeitsbewegung zunächst
jeden möglichen »Widerstand« entgegen. Wir wollen
zunächst nicht. Wir wollen allerdings den Zweck der
Arbeitsbewegung erreichen, aber wir wollen dabei unsere
gewohnte Haltung bewahren, wollen uns nicht an ihren
Rhythmus hingeben. Eine Art von körperlichem »Egois-
mus« setzt sich dieser Hingabe entgegen; fast könnte
man von einer Art körperlicher »Unfrömmigkeit« reden.

Schon an sehr einfachen Beispielen läßt sich das stu-
dieren, z. B. am Gehen. Ohne Zweifel ist das Gehen
eine Arbeitsbewegung mit dem Zweck der Raum-Uber-
windung. Aber beim Stadtmenschen, der zwischen seiner
Wohnung und dem Büro hin- und herpendelt, sieht man
diese Arbeit des Gehens sich mit allen »Mentalreserva-
tionen« eines widerspenstigen Körpers vollziehen. Er
versteift sich darauf, ein abstraktes Ideal von aufrechter
Körperhaltung durchzuführen; ein Ideal, das vom Schreib-
tisch, vom Verhandlungstisch, vom Salon herstammt und
mit der Verrichtung des Gehens schlechterdings nicht
vereinbar ist. Die Schultern bleiben fast unbewegt, die
mitschwingende Bewegung der Arme wird fortwährend
gebremst, der Schritt erfolgt mehr aus dem Knie als aus
der Hüfte, die fortwährenden Gleichgewichts-Verschie-

bungen, die auch beim schlechtesten Gehen unvermeid-
lich sind, werden auf unzweckmäßige, widerrhythmische
Art vollzogen. . Wenn man (was durchaus zulässig ist)
das Gehen als eine Summe von zahlreichen Pendel-
schwingungen betrachtet, die nicht nur die Beine und
Füße, sondern auch die Arme, den Kopf, das Becken,
den Rumpf, die Schultern betreffen, so ist das Gehen
des Stadtmenschen von der Art, daß es keine dieser
Schwingungen voll ausklingen läßt, sondern sie an irgend
einem Punkte hemmt, in falsche Zeitmaße zwingt und
dadurch das ganze Gefüge der wechselseitigen Relationen
stört und verhäßlicht. Die Folge davon ist, daß der Stadt-
mensch, wenn er Sonntags eine richtige Wanderung unter-
nimmt, das hierzu nötige Gehen wieder lernen muß.
Und in der Tat: sieht man ihn abends aus dem Wald
zurückkehren, so hat er einen andern Schrift als am
Morgen beim Fortgehen. Er hat gelernt, seine Schrittlänge
voll auszunutzen und aus dem Oberschenkel zu gehen,
nicht nur aus dem Knie. Er hat gelernt, dem vorgesetzten
Bein das Körpergewicht kräftig und rücksichtslos mitzu-
geben, und wie man beim Schaukeln das Körpergewicht
einsetzt, um desto mehr in Schwung zu kommen, so hat
auch unser neugebackener Wanderer eingesehen und
erspürt, daß nichts an seinem Leib fürs Gehen eine tote
»Last« ist, sondern, daß alles als »Schwunggewicht«
funktioniert, — wenn es nämlich richtig eingesetzt wird.
Was hat sich nun da geändert? Es wurde am Anfang
 
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