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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 37.1926

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Riezler, Walter: Von der neuen Form: sind wir dem Ziele nahe?
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https://doi.org/10.11588/diglit.10704#0405

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INNEN-DEKORATION

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werkst. wasche-
.haus & schrank
garten« ^Ü0&^ in r o -
in wien senholz

VON DER NEUEN FORM

sind wir dem ziele nahe?

Im Grunde gibt es unter all den Streitfragen, die die sung dieser Aufgaben von selbst in dieNähe klassischer
Zukunft der Baukunst angehen, nur eine einzige Formen führen wird. Die klare, einfache »Gestalt«
Frage, deren Entscheidung wirklich lohnt: Kann die Lö- wird nicht überall, aber in vielen Fällen dadurch »von
sung der gewaltigen neuen Aufgaben, die heute und in selbst« entstehen, daß die Aufgabe der Formung mit aller
der nächsten Zukunft gestellt werden, mit den Mitteln Sachlichkeit und Entschiedenheit unternommen wird. . .
der bisherigen Formen gelingen, — sodaß also die Die neuen Formen müssen allmählich auch die see-
Pflicht nur die ist, wieder den Anschluß an die im Laufe lischen Ausdrucks-Möglichkeiten gewinnen, die für Ver-
des 19. Jahrhunderts unterbrochene Tradition zu ge- feinerte Bau-Aufgaben notwendig sind. Das ist Sache
winnen, — oder zwingen die neuen Aufgaben dazu, des schöpferischen Talents — aber dieses wird wahr-
ganz neue Wege einzuschlagen und eine neue scheinlich nur dann mehr als Versuche bieten können,
Form weit als reinen, mit keiner Vergangenheit be- wenn die seelischen Voraussetzungen dafür gegeben
lasteten Ausdruck der Gegenwart aufzubauen? sind, wenn also die neue Seele für die Formung reif
Die Frage ist oft aufgeworfen, oft beantwortet worden. geworden ist. . Erst wenn die Menschheit dessen
Eine Einigung ist noch keineswegs erzielt. . Die Ver- innegeworden ist, daß ihr wirklich durch die Technik
treter der »radikalen« Lösung, die oft schon, kraft ihrer »neue Organe« gewachsen sind, erst wenn die noch
jugendlichen Frische, den Sieg in Händen zu haben immer amorphe Masse der Großstadt-Menschheit durch-
glaubten, sind heute wieder mehr in die Verteidigung formt und damit in den Zusammenhang der Kultur auf-
gedrängt. . Wir sind davon überzeugt, daß der Geist genommen ist, — erst dann wird man von einer »neuen
des »klassischen«, also kurz gesagt, der Glaube an Kultur« reden dürfen, und erst dann wird es wieder eine
die »Gestalt« im Sinne Goethes unsterblich ist, wenn Form geben, die selbstverständlich ist, — wie es
er auch immer wieder von den Mächten des ungestüm her- die alte war. Zu dieser Form wird dann auch das neue
vorbrechenden »Lebens« verdunkelt wird. Wir glauben, Ornament gehören, — das als letzte Blüte nur da ge-
daß die klassische Idee der »Gestalt« für die Baukunst deiht, wo eine Form ganz naturhaft emporwächst,
der Zukunft von hoher Bedeutung sein wird. . Wir Wann sich die neue Form erfüllen wird, weiß nie-
glauben aber nicht, daß es möglich sein wird, die neuen mand. Vielleicht sind wir dem Ziele näher als wir heute
Aufgaben auf dem Wege zu lösen, den die Baukunst seit glauben. Vielleicht ist uns überhaupt keine Erfüllung
der Renaissance bis in die Zeiten des Verfalls hinein mehr beschieden. . Wenn sie kommt, wird wahrschein-
kaum mehr verlassen hat! Wir können nicht glauben, lieh die Baukunst zuerst davon Kunde geben; denn

__: besond

sind. Wohl aber halten wir es für möglich, daß die Lö- Verantwortung, walter riezler. (m ,kairos«

daß die neuen Aufgaben mit Mitteln, die irgendwie in ihr sind schon heute die stärksten formenden Kräfte _.
den Zusammenhang des »Klassizismus« gehören, zu lösen spüren. Daher ruht auch auf ihr eine ganz besondere

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