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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 37.1926

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Hardenberg, Kuno Ferdinand von: Von der Material-Sprache: von Kuno von Hardenberg
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https://doi.org/10.11588/diglit.10704#0451

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INNEN-DEKORATION

425

architekt edgar ranger-london kamin im wohnzimmer. »black hall«

VON DER MATERIAL-SPRACHE

von kuno graf von hardenberg

Es gab einmal eine Zeit, die dem »Material« einen rechtigt sind. Als man die Mahagoni-Möbel, die Klub-
übertriebenen Kultus angedeihen ließ. Damals sessel und die englischen Farbenstiche und die Perser-
hatten manche Architekten Angst, einen simplen Tannen- teppiche in die Rotsandstein-Symphonie trug, entstand
holzbalken mit Ölfarbe anzustreichen, um ihm seine eine Katastrophe: die feine Kultursprache aller dieser
»Material-Sprache« nicht zu verkümmern, oder sie Dinge verhallte angesichts des titanenhaften Urjargons der
machten sich Gewissensbisse, ein paar billige Backsteine raumbeherrschenden Rotsandstein-Rustika: wie geraub-
kurzerhand zu verputzen. . . Es passierten damals gro- tes Kulturgut in einer Räuberhöhle — so nahmen sich
teske Dinge: Ein Freund ließ sich in jenen Tagen ein alle Sammlerherrlichkeiten in dieser Atmosphäre aus! . .
Häuschen aus rotem Sandstein bauen, weil ihm dieses Zwei Jahre lang hat mein Freund und seine Familie
Material sozusagen vor der Türe lag und am billigsten be- unter dem wilden Bardengesang des roten Sandsteins ge-
schafft werden konnte. Der Architekt war begeistert von litten; verschiedene, fast fluchtartig unternommene Bade-
dieser Idee und schwor, daß bei diesem Bau der rote reisen konnten nichts an der Sache ändern. Dann war
Sandstein seine »Materialsprache« entfalten werde, wie die allgemeine Empörung so groß, daß man einen erfah-
rne zuvor. . Gesagt, getan! Als das Häuschen vollendet renen Steinmetz kommen ließ, der den ganzen Zauber,
war, hörte man in der Tat den roten Sandstein flüstern, wenn auch unter ungeheueren Schwierigkeiten, — es galt,
sprechen, singen, brüllen und zwar überall, selbst im wahre Monolithen zu verputzen, — beseitigte und einen radi-
Arbeitszimmer des Erbauers. Hier war nämlich nicht nur kalen Zimmerfrieden herstellte, der dem »Material-Konver-
ein Teil des Plafonds aus rustika-artig behandeltem roten sations-Niveau aller Raumfaktoren«, — wie mein Freund
Sandstein gefertigt, sogar der obere Teil der Wände sich feinsinnig auszudrücken beliebte, — gerecht wurde,
prangte in grottenhaften Rotsandstein-Gebilden. Der tiefere Sinn dieser Geschichte scheint mir der
Leider war bei dieser »Rotsandstein-Symphonie« zu sein, daß man vorsichtig sein soll, wenn es gilt, die
Eines nicht bedacht: daß man nicht ein ganzes Leben »Beredsamkeit des Materials« zu entfalten, — und daß
lang der Material-Sprache des roten Sandsteins lauschen es vielleicht gar nicht so sehr darauf ankommt, daß das
kann, daß man auch Möbel braucht und daß letzten Endes Material überhaupt zu Worte kommt, als vielmehr darauf,
diese Dinge auch ihre Material-Sprache zu reden be- wer es wo, wann und wie weit sprechen läßt!. v.h.
 
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