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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 38.1927

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Schiebelhuth, Hans: Lebensform als Verpflichtung: der Höhere Sinn der Wohnkultur
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https://doi.org/10.11588/diglit.10702#0042

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22

INNEN-DEKORATION

ARCHITEKT WALTHER SOBOTKA-WIEN KAMINECKE IN EINEM SCHLAFZIMMER

LEBENSFORM ALS

DER HÖHERE SINN

Ein fundamentaler Verhalt der großen Tatsache »Kul-
tur« ist, daß sie in jeder Lebensgeste entscheidend
über die rohe, naturgebotene Zweckhaftigkeit des An-
lasses hinaus will und strebt, den aus vitaler Not verord-
neten Handlungen und Vorgängen durch die Form
einen erhöhten, veredelten menschlichen Sinn zu geben. . .
Die einfachsten Tätigungen des täglichen Lebens sind
hierfür der beste Beleg. Beim Essen wird der not-
wendige Vorgang der Nahrungsaufnahme durch Gesittung
und Beraumung zu einem Anlaß gepflegter, ja oftmals
feierlicher Lebensfestlichkeit gesteigert. . In die Fragen
der Kleidung der zivilisierten Menschheit spielen all-
gemein erkenntliche Umstände und Bewandtnisse herein,
welche die Angelegenheit wesentlich über den Anlaß der
Blößenbedeckung und des Wetterschutzes hinausheben.
Und bei Völkern wie den Lappen, den Kaffern oder den
Algonkin spricht man mit Recht nicht von Wohnkultur
und Architektur, — und überhaupt nicht von Kultur und
Zivilisation, sondern von »Sitten und Bräuchen« — weil
Jurte, Kral oder Wigiwam lediglich primitiv zweckmäßig
gestalteten »Unterschlupf« sind, Hausungen, die sich der
Art nach von den Bauten der Biber, von den Nestern
der Grasmücken oder den Höhlen der Dächse wenig
unterscheiden, also noch nicht die höhere, menschentüm-
liche Idee des Bauens und Wohnens repräsentieren.

VERPFLICHTUNG

DER WOHNKULTUR

Diese höhere Idee, dieser eigentümliche Sinn, in dem
das rein geschöpfliche Dasein ausgedeutet und verformt
wird, ist die Quintessenz aller Kultur. In ihr besteht die
Evolution, die ewige Erhabenheit des Menschen über
den triebhaft-chaotischen Zusammengang der Erscheinung.
Es wird daher offenbar, daß die Pflege der Norm und
Form des Lebens den tatsächlichen Adel eines jeden
Sterblichen inbegreift, denn an der Aufgabe, das ge-
samte Dasein unter das Gesetz des Menschengeistes zu
stellen, hat jeder Einzelne nach seinen Kräften Anteil. . .

Es kommt grundlegend darauf an, daß der Einzelne
sich als »Träger der allmenschlichen Sache« fühlt und
empfindet, mit anderen Worten, daß er den Sinn der
Kultur als Verpflichtung und Bindung unter bewußter
Verantwortung für sich selbst gültig empfindet. Und
dies wird um so schwieriger, je intensiver die Kultur-
aufgabe vorgeleistet ist, also in Zeiten, wo alle Welt schon
»speist«, »sich kleidet« und »wohnt« (anstatt nur sich zu
füttern, zu bedecken und zu hausen), — in Entwicklungen,
wo die Lebendigkeit des Kulturgedankens sich in der Um-
wertung der Werte, in der Neuprägung der Formen, in
der Verfeinerung und tieferen Durchdringung des Be-
wahrenswürdigen und schon Erreichten ausdrücken muß,
damit der Ernst und die Würde des Lebens gegen alle
Bedrohungen behauptet werden. . . hans schiebelhuth.
 
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