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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 38.1927

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Keyserling, Hermann: Der Sinn der Persönlichkeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.10702#0102

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82 INNEN-DEKO RATION

. „ _________..... ________

PROF. PAUL GR1ESSER-B1ELEFELD SCHLAFZIMMER. PALISANDERHOLZ

DER SINN DER PERSÖNLICHKEIT

VON GRAF HERMANN KEYSERLING

Dem ganzen modernen Zeitalter war ein konstruierter
»abstrakter« Mensch zur Voraussetzung alles
Denkens geworden. Die Vernunft, der Verstand galt
ihm als letzte Geistes-Substanz, und da diese unlebendig
gedacht wurde, so wurde die »Sache« ihrem weitesten
Begriff nach über das Leben gestellt. Nun sollte der
Sinn des Lebens in konstruierten »Idealen« begründet
liegen. Nun galt jede »Sache« als wertvoller als der
lebendige Mensch. Das Abstrakte galt allgemein als
höherwertig gegenüber dem Konkreten. .

Der naturnotwendige Erfolg dieses Mißverstehens
blieb nicht aus; die lebendige Wirklichkeit wird auf
die Dauer immer so, wie man sie ansieht. Der Geist
»mechanisierte« sich wirklich in fortschreitendem Maß.
Und entsprechend ging der Sinn für lebendigen Geist
so vollkommen verloren, daß er, wo er einmal auftrat,
nicht mehr bemerkt wurde. . Nur für die im Künstler
verkörperte Modalität des lebendigen Geistes blieb der
Sinn erhalten, die denn auch, in entsprechender Uber-
schätzung, allen Glauben überhaupt an den schöpferischen
Geist, den jeder im Innersten doch hat, monopolisierte.
Daß der Künstler nicht seinerseits als Techniker miß-
verstanden wurde, lag dabei einzig am glücklichen Um-
stand, daß sich sein Können nicht rationalisieren läßt.

Sachlichkeit im guten Sinn bedeutet nicht un-,
sondern üb er persönliche Interessiertheit, d. h. die per-
sönliche Interessiertheit des tiefst-Persönlichen im leben-
digen Menschen, dem folglich alle Leidenschaft der
Selbstsucht eignet. Alle andere Sachlichkeit ist vom
Übel, weil sie Totes über das Leben stellt. Sie eignet
deshalb nur Oberflächlichen, Unproduktiven oder Feigen:
solchen, die ihres eignen Grundes nicht bewußt werden
können, oder die sich einem vorherbestehenden Rahmen
einordnen müssen, um sich überhaupt sinnvoll lebend zu
fühlen, oder die gegenüber den herrschenden Vorurteilen
Angst haben, sich zur Selbstbehauptung zu bekennen. .

So ist denn auch kein Produktiver, von dem ich
wüßte, je im üblichen Sinne »sachlich« und auch keiner im
üblichen Verstände »Idealist« gewesen. Hochgesinntere
Zeiten werden es vermutlich als Zeichen der Gesinnungs-
Niedrigkeit der Moderne deuten, daß sie das Leben für
eine Sache höher stellte als das Leben für die Person,
und es nur vielleicht durch ein historisch unerhörtes
Minderwertigkeits-Gefühl entschuldigen.. Man kann auch
anderen nur nützen, insofern man sich vollendet, — was
voraussetzt, daß man sich selbst vor allem ernst nimmt. .
Als wesentlich Lebendiges kann Geist garnicht »un-
persönlich« sein. Alles Lebendige ist als solches
 
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