Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 38.1927

DOI Artikel:
Geron, Heinrich: Virtuos und Künstler: "die Art ist schlicht, die Abart Mannigfaltig"
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.10702#0175

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
INNEN-DEKORATION 155

ARCHITEKT FERDINAND GÖTZ-MÜNCHEN DIREKTOREN-ZIMMER. J.-G. FARBEN A.-G.-BITTERFELD

VIRTUOS UND KÜNSTLER

»DIE ART IST SCHLICHT, DIE ABART MANNIGFALT«

Die wahre Virtuosität ist ein ganz einfacher Verhalt,
nämlich der, daß in der Werktätigung das Könner-
tum als bewußter Diener der Schöpferschaft auftritt, daß
das Können den selbstverständlichen, vollkommenen Aus-
druck des Seinshaften erschafft. . Nicht genug Können
liefert das Resultat »Unzulänglich«. Zuviel Können ohne
die wesentliche geistige Ermächtigung bezeichnet den
Zustand der falschen »Virtuosität«. Ihre Formen und Ab-
arten sind schier unzählbar in der Erscheinungen Flucht.

Da ist das harmlose, frei technische Spiel der Ge-
schicklichkeit, die aus der Freude am Schalten und Wal-
ten mit den Mitteln und den zahllosen Möglichkeiten der
Variation geboren wird. Da ist andererseits das Ver-
fahren der Mache, der Routine, die einen ursprünglichen
Verhalt vortäuschen oder über dessen Nichtvorhanden-
sein ablenken will, bewußte Täuschung, die »Kunst-
stück« für »Kunstwerk«, Schein für Sein ausgeben
möchte. Da ist des weiteren die Bemühung des Boßlers,
Tüftlers und Pedanten, — jenes Menschen, dem in der
Figur des »Beckmesser« ein unsterbliches Denkmal mit
Warnungstafel gesetzt wurde. . Da sind noch viele an-
dere Nuancen und Kombinationen, — es ist wie überall
auf der Welt: die Art ist schlicht, die Abart mannigfalt.

Die freie Sicherheit mit dem Handwerk und das Ver-
mögen der beliebigen Anwendungen von Kenntnis und
Können scheint zuweilen selbst den Großen im Reiche
der Kunst Verführung und Gefahr zu bedeuten. Die un-
verrückbare Gerechtigkeit des Weltplans läßt darum in
allen Fällen, wo eine selbstherrliche »Uberwertung des
Könnerischen« eintritt, gleichzeitig auch eine »Entwertung
des Gehaltigen« eintreten. . Wo der Handwerks-Geist
gegenüber den schöpferischen Elementen überbieten und
ersetzen will, ergibt sich das Phänomen der Verflachung
und Veräußerlichung, kurz der Banalität. Wo das Hand-
werk an sich »überzüchtet« wird, ergibt sich das Phäno-
men der Übertreibung, Überspitzung, der »Preziosität«.
Allzugroße Elaboriertheit zerspellt den Wert, das Leben,
die Wirkung eines Kunstwerks. Spintisiererei mit den
Mitteln entkräftet die Technik durch zu große Wollung.

Man soll nicht verdammen; wenn jeder Mensch ein
Recht zu seinen Irrtümern zu haben glaubt, dann darf es
dem Schaffenden nicht verweigert werden. Aber trotz-
dem muß gesagt werden, daß sich ein jeder zu seinem
eignen Wohl der wahren Virtuosität befleißigen möge. .
Es wird da wohl die Frage gestellt: wo sich diese findet ?
Ich glaube: in jedem echten Künstler selbst, h. geron.

1927. IV. a.
 
Annotationen