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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 38.1927

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Wenzel, Alfred: Ingenieur und Künstler: der Künstler schafft über die Technik hinaus
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https://doi.org/10.11588/diglit.10702#0306

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286

INNEN-DEKO RATION

PROFESSOR EDUARD PFEIFFER-MÜNCHEN. LANDHAUS-TERRASSE MIT ARKADEN UND KL. WASSERBECKEN

INGENIEUR UND KUNSTLER

DER KÜNSTLER SCHAFFT ÜBER DIE TECHNIK HINAUS

Wenn wir heutzutage alle Architektur mit »Zweck-
forderungen« und »Zweck-Erfüllungen« verschwi-
stert sehen, so kennzeichnet das nur ihre außerordent-
lichste Funktion, hat aber mit dem Wesen des Archi-
tektonischen, dem Bauen und dem Gebauten, nichts
zu tun. Es ist gewiß verständlich, daß in einer Zeit wie
der unseren, der alles — im weitesten Sinne — »Sakrale«,
d. h. über die Ebene des allertatsächlichsten Bedürfnis-
Bereiches Emporwollende, zu fehlen scheint, solche Ein-
stellung der Architektur gegenüber entstehen kann. Die
»zweckliche« Aufgabe scheint das Wesentliche, sie
scheint als erstes dem Bau zugrunde zu liegen, vom
»Künstlerischen« glaubt man, daß es gleichsam neben-
her entstehe, oder als etwas Angenehmes, Wohltuendes
dazukomme. Und hier liegt auch die Wurzel jenes
problematischen Konfliktes, der heute um das Thema

»Künstler — Ingenieur« diskutiert wird........

Eine Komplikation erfährt die Frage noch dadurch,
daß man dem »Architekten« den »Ingenieur« als bei-
spielgebend vorstellte. Dafür waren zwei Gründe maß-
gebend: der Ingenieur, der nicht auf formale, sondern
auf Leistungs-Ergebnisse hin erzogen und verpflichtet
ist, arbeitet unbeschwert von ästhetischen Form-Voraus-
setzungen, unter deren Primat der Architekt seine Tätig-
keit stellt. Die Formen des Ingenieurs entstehen aus dem
»Kalkül«, jener sachlichen Art des Abwägens von
Gegebenheiten und Möglichkeiten: sie ergeben sich als
einfach, sinnvoll und praktisch. Solchen Dingen war
meist der Vorrang zuzusprechen vor dem, was viele Ar-
chitekten schufen: in ihrer sauberen Schlichtheit war

mehr Ansprechendes und vor allem mehr Entsprechen-
des als in dem Pathos, das auf der anderen Seite oft wie ein
Mäntelchen über die wesentliche Form gehängt wurde.

So kommt es dann — auch unter dem Druck wirt-
schaftlich-sozialer Notwendigkeiten, die das Schwerge-
wicht vom Einzelbau in großzügiger zu behandelnde Bau-
Organisationsprobleme verlegen, — zur Frage: ob nicht
aller heutiger Hausbau überhaupt in das »Ressort des
Ingenieurs« gehöre? Denn die hauptsächliche Struktur
heutigen Wohnens scheint durch den technisch erziel-
baren Komfort bestimmt, worunter alle jene gutfunk-
tionierende Bequemlichkeit verstanden wird, die man
als zivilisierter Westeuropäer nicht missen will. Diese
selbstverständliche Abwickelung des Wohn-Technischen,
stammt eben vom Ingenieur; und beharrt keineswegs
in gegenwärtiger Form, sondern wird stets gesteigert
werden; denn jede weiterführende technische Vervoll-
kommnung bedeutet auch ein gutes Geschäft. — Wich-
tiger erscheint aber dabei vor allem, daß diese Dinge
einmal schon um ihrer Zweck-Erfüllung willen einer »ty-
pischen« Form zugeführt werden und dadurch in einer
nicht zu verkennenden Prägnanz charakteristisch er-
scheinen, daß sie aber damit, und weil sie als notwen-
dige Zubehöre unserer heutigen Lebensführung ständig
um uns, mit uns da sind, auch unsere Umwelt zum Teil
wesentlich charakterisieren: dies ist unsere Situation.

Und an dieser Stelle eines selbstverständlichen Ent-
wicklungs-Verlaufes von Zeit- und Lebensform Schemen
sich Hemmungen zu erheben: als glaubte man vielfach,
in dem so Entstehenden eine zu »seelischer Verödung
 
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