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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 38.1927

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Michel, Wilhelm: Zivilisation und Machtwille: von der Einstellung des Abendlandes
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https://doi.org/10.11588/diglit.10702#0348

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328

INNEN-DEKORATION

ARCHITEKT HANS HEINZ LÜTTGEN-KÖLN SPEISEZIMMER. WOHNUNG KR.-HAMBURG

ZIVILISATION UND MACHTWILLE

VON DER EINSTELLUNG DES ABENDLANDES

Wenn es wahr ist, daß alle menschlichen Dinge letzten
Endes geistig bestimmt sind, mögen sie im übrigen
derbmateriell aussehen, so muß auch dem Eroberungs-
Zuge der Technik eine geistige Triebkraft zugrunde
liegen. Sie enthüllt sich, wenn man bedenkt, daß die eigent-
lichen Schrittmacher der Technik die zivilisatorischen
Bedürfnisse des Abendlandes sind. Es wird selten be-
dacht, wie stark, wie widerstandslos sich der Abendlän-
der auf diese Bedürfnisse festgelegt hat. Staaten und
Dynastien, Religionen und Weltanschauungen, uralte
Ordnungen und Methoden wurden gestürzt. Aber die
zivilisatorischen Bedürfnisse blieben sakrosankt. Sie haben
auf den ersten Blick hundert verschiedene Namen. Sie
stehen vor uns als das Bedürfnis nach Macht, Wohlleben,
Erfolg, nach Naturbeherrschung, nach Raum- und Zeit-
überwindung. Sieht man aber näher zu, so quellen alle
diese verschiedenen Bedürfnisse aus einem einzigen Zen-
trum: Wir wollen wohl Geist und Seele, die Krone des
inneren Menschentums, behaupten, aber wir wollen »zu-
gleich in äußerer Welt mächtig« sein. Wir können
nicht anders; wollen nicht anders. Als »Krieger« ist der
Abendländer geboren; er wird es immer bleiben, selbst in
seinen Abwandlungen zum Händler, zum Fabrikanten,
zum Techniker und Wissenschafter. Eher wird der Abend-
länder auch den Morgen- und Mittagländer zum Krieger
züchten und die Erde in ein Waffenfeld verwandeln,

als daß er den Durst nach Macht aus seiner Seele ent-
ließe. . Wir lächeln über den Ausruf des Königs Chlod-
wig, daß es »dem Heiland besser ergangen wäre, wenn
er mit seinen Franken zugegen gewesen wäre.« Aber bis
auf den heutigen Tag liegt in diesem Ausspruch die echte
abendländische Gesinnung, die nur in »Macht-Begrif-
fen« denken kann, dem die Welt in ihren inneren und
äußeren Bezügen nie anders erscheinen kann, denn als
ein Gefüge von Siegen und Niederlagen: Du »mußt herr-
schen und gewinnen — Oder dienen und verlieren!«

In dem Gleichnis des Tschuang-Tse vom Gärtner
heißt es am Schlüsse, da wo von der »Weise des Er-
wachten« die Rede ist: »Nach Einfalt trachtend, ge-
winnt er Leben. Leben gewinnend, erreicht er Geist.
Geist erreichend, findet er ein in Tao. Erfolg, Gewinn,
Wissen, Fertigkeit — all dies findet nicht Raum in seinem
Herzen. Was solch ein Mann nicht erstrebt, rührt ihn
nicht auf. Preist ihn alle Welt, er achtet es nicht. Tadelt
ihn alle Welt, es kümmert ihn nicht.« Dies ist genau die
Weise, in der der Abendländer niemals gedacht hat,
noch je denken wird. Gewiß sind Worte solcher Art ge-
legentlich auch westlich des Urals gesprochen worden.
Aber sie haben wie die eingeborene, tief eingebrannte
Denkweise des Abendländers entscheidend ändern kön-
nen. Nie wird das Abendland nach »Einfalt« trachten.
Nie wird es von einem dauerhaften Standpunkt aus Er-
 
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