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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 38.1927

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Lipp, Friedrich: Gross-Lichtspielhaus "Atrium" in Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.10702#0358

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GROSS-LICHTSPIELHAUS »ATRIUM« IN BERLIN

von architekt friedrich lipp, b.d. a.-berlin

Unaufhaltsam geht der Siegeszug des Lichtbild-
Films durch alle Welt, erobert das b ewegte Licht-
bild sich in allen Ländern und Völkern die Gunst größter
Volksmassen, die hier Gedachtes und Geschehenes,
Gegenwärtiges und Vergangenes gleich lebendig vor sich
abrollen sehen. Immer neue Stätten erstehen allerorten
für das Lichtbild, und überall ist das Bestreben vorhan-
den, diese Schau-Stätten den Fortschritten der Licht-
bild-Kunst anzupassen, so daß in den größeren Zentren
bereits schon geräumige Theater aus den ursprünglich
primitiven Vorführungsräumen entstanden sind und immer
größere noch entstehen. Für den Architekten gelten überall
die gleichen Bedingungen: gute Sicht auf das Bild, gute
akustische Verhältnisse für das gesprochene, begleitende
Wort und die Musik. Die Lichtspiel-Bühnen haben
diese Bedingungen aber gemeinsam mit den Schauspiel-
und Opern - Häusern, und so werden denn allmählich
letztere, die aus einer jahrhundertelangen Entwicklung
hervorgegangen sind, von den Lichtspiel - Stätten zum
Vorbild genommen, als Grundlage für neu zu Erstellendes.



Das in den vorstehenden Abbildungen gezeigte Groß-
Lichtspielhaus »Atrium« in Ber 1 in-Wilmersdorf ist
an der Kaiser-Allee, Ecke Berliner-Straße, als mächtiges
Halbrund vorplatzbildend über die Ecke gestellt. In der
Grundanlage auf der Bauweise des antiken Theaters
fußend stellt das Gebäude auch eine Weiterentwicklung
der Baugedanken des Richard Wagner-Theaters in Bay-
reuth dar. In seinem inneren Ausbau ist es ein radial
bestuhltes, segmentartiges Ein-Rang-Theater mit Um-
gängen, das für 2000 Zuschauer Platz bietet und gutes
Sehen und Hören auf allen Plätzen gewährt. Die größte
Bühnen-Entfernung ist ebenso wie die hintere Raumbreite
36 Meter, eine Revue-Bühne ist eingegliedert sowie ein
versenktes Orchester für ca. 80 Mann. Bei äußerster
Raumausnutzung, — der Zuschauer-Raum mit Bühne reicht
von Außenwand zu Außenwand —, birgt es doch unter
dem Riesen-Rang mit 1200 Sitzplätzen entsprechende
Vorräume und Garderoben, die 2000 Menschen aus-
reichenden Platz zum Zu- und Abströmen gewähren. . .

Die im Erdgeschoß ganz offene und beinahe fensterlose,
geschwungene Außen-Architektur ist rein aus dem Grund-
riß entwickelt. Sie ist aus Erfordernissen der Licht-Re-
klame straff horizontal gegliedert und stufenförmig auf-
getreppt zur Betonung der Bau-Masse, der Mittelachse
und der Eingänge. Die Pfeiler - Stellung des Haupt-
geschosses deckt alle Erdgeschoß-Türen, trägt die Leucht-
gitter-Laufbalkone und reliefiert die sich im Bogen ver-
kürzende Front; sie verhindert zugleich die Anbringung
unschöner Reklame. Der bildnerische Schmuck ist ab-
strakt und zeitlos gehalten, also dem Veraltern entzogen.

Der Charakter der Innen-Architektur steht im
Einklang mit dem der äußeren. Zuschauer - Raum und
Vorräume sind zu einer Einheit in Form und Farbe zu-
sammengefaßt. Der Zuschauer-Raum — trapezförmig —
wird durch eine mächtige, ovale Stufen-Ringflachkuppel
völlig beherrscht und der ganze Raum dadurch zentriert.
Die zur Bühne im Winkel sich neigenden Seitenwände
verstärken die perspektivische Wirkung ungemein und
führen den Blick nach vorne zur Bühne, während die nach
rückwärts bedeutend zunehmende Raumbreite zusam-

men mit der überdachenden Kuppel ein sehr bestimmtes,
starkes Raumgefühl geben. Der Bühnen-Rahmen ist im
Verein mit den beiden Orgel - Seitenwänden zu einem
über die ganze Breite und Höhe des Raumes sich span-
nenden Portal ausgebildet, hinter dem sich zwei modernste
Vorbühnen-Scheinwerferbrücken verbergen. Aus akusti-
schen Gründen wurden die Rückwände des Zuschauer-
Raumes im Rang und Parkett mit schallfangenden Logen
versehen und die seitlichen Wandfelder samt der Kuppel
durchgehends mit kräftigen Flach-Ornamenten bedeckt;
auch sind die Deckenvouten mit vielen Verzackungen
versehen, zur möglichsten Zerteilung der Schallwellen.
Diese Versuche zur Hebung der Akustik führten zu einem
vollen Erfolg. Das normal gesprochene Wort versteht
und hört man auf jedem Platz, und selbst das leise auf
der Bühne gesprochene Wort wird durch den Kuppel-
Horizont gut hörbar bis in die letzte Rangreihe reflektiert.
Die Beleuchtung des Zuschauer-Raumes erfolgt indirekt

durch 90 verdeckte Scheinwerfer im Kuppelring.....



Die Farbengebung des Zuschauer-Raumes ist fol-
gende: kardinalrotes Gestühl undWände im Parkett, silbern
perlmuttschillernde Rangbrüstung. Kardinalrotes Gestühl
auch im Rang, mit Blattgold und farbiger Blattbronze
belegt die Wände, dazu die horizontale blattvergoldete,
blanke Decke und grün-rot abgesetzten, goldenen Wand-
Baldachine. Die Kuppel ist in Silber mit blankgoldenen
Kuppelringen, das Ganze in Perlmutt irisierend aufgeteilt,
im indirekten weißen Scheinwerfer-Licht in allen Farben
nach der Mitte zu dunkler werdend. Die kleine Mittel-
kuppel Silber mit goldgelbem Licht. Die Bühnen-Umrah-
mung: Silber irisierend mit goldgelbem Seidenplüsch-Vor-
hang, der im Lichte als gleißendes Gold wirkt. Die
Wirkung dieser Farbengebung erhöht sich noch bei Dunkel-
heit durch das von der Bildwand zurückfallende Licht;
die metallfarbenen Wände strahlen dann im Dunkel gold
und rot, und die aufgesetzten Wand- und Kuppel-Orna-
mente leuchten diskret hell auf: alles Raum-Erleben löst
sich auf in Glanz und Wärme und gibt so eine möglichst
günstige Stimmung zur Einwirkung des Lichtbildes . . .

Die blaßrot belegten, großen Wandelhallen und
Treppenhäuser im Parterre und Ranggeschoß setzen
die im Zuschauer-Raum angeschlagene Note fort, zur Er-
weiterung der gold-roten Gesamt-Raumwirkung. Wände
und Vorhänge sind mit kardinalrot Velour — in Strich
und Gegenstrich — bespannt, die Decken im Spritzver-
fahren vergoldet, zersplittert in farbige Bronzetöne und
mit neugeformten Röhrenlampen von Schwintzer & Graeff-
Berlin angeleuchtet. Die Garderoben-Tische sind gold-
grün und die Treppengeländer in Grünbronze-Tönen . .



Das ganze Gebäude, das bei der Eröffnung von der
gesamten deutschen Kino-Fachwelt, von Publikum und
Tagespresse anerkennend beurteilt wurde, ist von der
Firma Heilmann & Littmann-Berlin — München in General-
Entreprise ausgeführt. Als Mitarbeiter waren Bildhauer
Georg Leschnitzer-Berlin für den bildnerischen Schmuck
und für die neuartige malerische Gold- und Silberbe-
handlung der Maler Heinrich Richter - Berlin hinzuge-
zogen, die ebenfalls das Ihrige taten, um dem Bauwerk
mit zu seinem Erfolge zu verhelfen. . . . Friedrich lipp.
 
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