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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 38.1927

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Worringer, Wilhelm: Raumstatik und Dynamik: "Raum ist unendliche Melodie des Werdens"
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https://doi.org/10.11588/diglit.10702#0405

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INNEN-DEKORATION

385

RAUMSTATIK UND DYNAMIK

»RAUM IST UNENDLICHE MELODIE DES WERDENS«

Raum-Statik ist ein Begriff, der sich, strenggenom-
men, selbst widerspricht. Nur die Raumbegrenzungen
fallen unter die Gesetzmäßigkeit des Statischen, was aber
von diesen Begrenzungen umfaßt und eingeschlossen
ist, das kann, falls es überhaupt ein eigenes Leben ent-
wickelt, nur ein dynamisch faßbares Leben entwickeln.

*

Mit dem Menschen und der statischen Bedingtheit
seines »Stehens« und »Gehens« wird das Gesetz des
Statischen in eine Welt hineingetragen, die eigentlich nur
im Dynamischen leben möchte. Mit der praktisch unum-
gänglichen Ebene des »Fußbodens« schon ist alle ideale
Raumgestaltung aus dem eigenen Willen des Raumes

heraus für immerfort verunmöglicht...........



Aber dieser Rücksicht auf die Statik des Raum-Be-
nutzers gesellt sich eine zweite Rücksicht, nämlich die
Rücksicht auf die elementarste Forderung der Bau-Tech-
nik, die eben in erster Linie tektonisch ist und damit
auch unter dem absoluten Gesetz des Statischen steht. .
Soll der Raum überhaupt »architektonisch umgrenzt«
werden, so kann es nur in den Formen der tektonischen
Statik geschehen. Mit anderen Worten: wie die Ebene
des Fußbodens der Statik des menschlichen Seins Rech-

nung trägt, so tragen die seitlichen und oberen Raum-
Begrenzungen, Wand und Decke des Raumes, nicht nur
der Statik der menschlichen Bedingtheit, sondern auch
der Statik der technischen Bedingtheit Rechnung. . . .

Nur unter ganz bestimmten Verhältnissen erwacht das
Gefühl für das spezifisch »Raumhafte«, das Organ für
das Wesen des Raumhaften, und setzt sich durch, und
zwar im bewußten Kampfe mit der stärkeren Gegen-
macht des Statischen. . Nur dann, wenn die Konturen
des Weltgefühls selbst ihre harte Statik eingebüßt
haben, und dieses Weltgefühl selbst sich in flies-
sende Schwingungen aufgelöst hat. . Nur ein Welt-
gefühl, das durchaus alles kosmische und irdische Ge-
schehen als ein dynamisches Geschehen begreift,
wird nach dem räumlichen Spiegelbild seiner

Erlebnis-Form drängen...............



Raumgefühl ist also die charakteristische Form eines
bestimmten Lebensgefühls — und zwar eines nur in
kulturellen Spätzeiten auftretenden Lebensgefübles.
Allerdings, wie die Dämmerung, die alle Konturen auf-
löst, nicht nur am Ende des Tages steht, sondern auch
an seinem Anfang, so zeitigt auch das dumpfe Frühstadium
menschlichen Bewußtseins ein Zerfließen aller Vorstel-
 
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