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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 38.1927

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Michel, Wilhelm: Die Weissenhof-Siedlung, Stuttgart: Erwägungen zur Werkbund-Ausstellung 1927
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https://doi.org/10.11588/diglit.10702#0461

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XXXVltl. JAHRG. DARMSTADT. DEZEMBER 1927.

DIE WEISSEN HOF-SIEDLUNG-STUTTGART

ERWÄGUNGEN ZUR WERKBUND-AUSSTELLUNG 1927

Hier auf dem »Weißenhof« haben sich Baukünst-
ler zusammengefunden, um auf freier Höhe,
unter einer Unmenge Himmel die Möglichkeiten
und Notwendigkeiten eines neuartigen Baues durch
die Tat zu erörtern. Es ist nicht eine eben erst
geborene Bewegung. Es ist ein bereits seit Jahren
laufender Prozeß. Aber der Nachdruck, die Klar-
heit, der Aufwand, mit dem hier gearbeitet wurde,
gibt der Stuttgarter Ausstellung einen singulären,
einen fast beginnerischen Wert. . Zunächst eine
allgemeine Bemerkung: neue Vorstöße solcher Art
können nicht anders als immer eine gehörige Strecke
übers Ziel hinausschießen. Oder ihr Ziel in einer
nur halbwegs richtigen Himmelsgegend suchen.
Und doch: neues Sehen, neues Wollen, neue Ge-
sinnung und vor allem Mut zum Werk geht von
ihnen aus. Und so erreichen sie, wenn nicht ihr
Ziel, so doch ein Ziel. Es geht bei fast allen Kunst-
revolutionen wie bei jenen Schatzgräbern, die im
Weinberg zwar nicht das gesuchte Gold, aber statt
dessen eine erhöhte Fruchtbarkeit der Weinstöcke
fanden. . Wäre eine solche Sache, ein solcher
Vorstoß erledigt mit dem Nachweis soundsovieler
Fehlgriffe, Irrtümer, Unmöglichkeiten, ja, dann
wäre dieser Stuttgarter Ausstellung ganz erheblich

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zuzusetzen. Aber wäre damit ernstlich der Dämon
widerlegt, der hier ein Dutzend der verschiedensten
Architekten aus verschiedenen Ländern in ein un-
gewisses Abenteuer der Gestaltung gespornt hat?
Nein, so leicht ist es dem Menschen auf Erden
nicht gemacht, Zeitgenosse zu sein, Kräfte sogleich
richtig abzuschätzen und allen wechselnden Augen-
blicken gerecht zu werden. Der Dämon ist eben
im Kern irrationalen Wesens; nicht einmal die von
ihm Getriebenen wissen, wozu sie auserwählt oder
verflucht sind, und oft erweist sich erst spät, nach
dem Zusammenbruch der ersten und meist irrrigen
Ideologien, was mit einer Neuerung gemeint ge-
wesen ist. . Ein Kind kann mit Händen greifen,
daß der Korridor im Doppel-Hause Corbusiers
unmöglich ist, weil er zu eng ist. Sinnlos ist, fast
in allen Einzel-Häusern, die affektierte Raum-
knappheit, dieses Kokettieren mit der Enge, mit
dem Notbehelf. Sinnlos sind die zuweilen hoch-
gelegten Fenster, deren unteren Rand man gerade
mit der Nasenspitze erreicht; diese Hühnerleitern
von Treppen, die man nur erklettern, nicht ersteigen
kann; jene Schlafkammer, die nach der Treppe zu
offen ist; oder Steinfliesen in Wohnzimmern, von
denen Kälte aufsteigt; diese Riesenfenster, durch
 
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