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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 38.1927

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Fechter, Paul: Der Mensch und der Raum: eine geistesgeschichtliche Betrachtung
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https://doi.org/10.11588/diglit.10702#0483

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INNEN-DEKORATION

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DER MENSCH UND DER RAUM

EINE GEISTESGESCHICHTLICHE BETRACHTUNG

Architektur ist tätige Auseinandersetzung mit
dem Raum. . Der leere Raum der Welt über den
Menschen ist das Sinnbild des leeren, unerfüllten, sich
selbst noch nicht kennenden Geistes, der zu sich nur
kommen kann, indem er seine eigenen, inneren Verhält-
nisse und Beziehungen tätig und erkennend entwickelt.
Architektur-Geschichte ist Geschichte des Geistes, am
Raum verfestigt, an dem der Geist, noch unfähig, nur
an sich und aus sich zu wirken, seinen irdischen Weg im
Konkreten zu sich selber sucht. . Auch der freie, unend-
liche Raum wird ursprünglich als »Innenraum« empfunden,
— solange der Mensch sich noch nicht räumlich vom
Ganzen ausgesondert hat, solange die Trennung von Sub-
jekt und Objekt, die Zerlegung der Welt in Ich und

Nicht-Ich noch nicht vollzogen ist............

Die »Raum-Angst« stand neben dem Zweck der
»Sicherung« als Triebfeder der ersten Bau-Versuche:
sie schuf mit ihm vereint den ersten geschlossenen Raum,
das erste isolierte und begrenzte Raumstück, in das der
Mensch sich vor dem Grenzenlosen der Umwelt wie in
dumpfer Erinnerung an den Sicherheit gebenden Mutter-
schoß flüchtete. . Diese Anfänge aber bleiben diesseits,
vor einer bewußten Tätigkeit: der Mensch erledigt sie
mehr oder weniger »passiv«, unter Zwang, nicht als

Subjekt, — da er die Einheit von Ich und Welt noch nicht
aufgegeben hat. . Die Seele und ihr Spiegelbild, der
Innenraum ist das erste Erlebnis: es kann aber nicht ge-
staltet werden, ehe nicht das Objektive bewußter Gegen-
stand für den Menschen geworden ist. Erst nach der
Scheidung von Ich und Nicht-Ich erwächst neben der
begrenzenden Welt des Drinnen der begrenzte äußere
Raum, wird der Bau, das »Haus« zum Objekt, dem
der Mensch selbständig gegenübertritt. Aus dem bis
dahin im wesentlichen »duldenden« Verhalten zur Welt
wächst jetzt das erste in Wahrheit aktive . . Der Welt
wird ein Stück entrissen: der Mensch setzt, sich zum
erstenmal als Ich aus dem Ganzen lösend, der unend-
lichen leeren Raum weit seine endliche, erfüllte entge-
gen, dem Allumfassenden sein persönliches Stückchen
Raum, an dem er die Welt zu ordnen, vergleichend zu
messen und damit zu beherrschen beginnt. Neben
das Erlebnis des Raums stellt sich seineFormung. . Diese
erste Isolierung des Menschen gegenüber der Welt ist
auch der Anfang der Individualisierung, der Ichbildung. .

Mit dieser Vereinzelung gegenüber der Welt zerlegt
sich auch das ursprüngliche einheitliche Raumgefühl. Es
tritt auseinander: in Gefühl für den objektivierten, fest-
gemachten äußeren Raum und in Gefühl für das Innere.
 
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