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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 39.1928

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Ritter, Heinrich: Das Klare und das Klangvolle: zwei Eigenschaften der neuen Wohnung
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https://doi.org/10.11588/diglit.11738#0026

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XXXIX. JAHRG.

DARMSTADT.

JANUAR 1928.

DAS KLARE UND DAS KLANGVOLLE

zwei eigenschaften der neuen wohnung

Das menschliche Leben steht, dem Tempo nach,
zwischen den Polen der schwunghaften »Er-
höhung« und der klaren, nüchternen »Besinnung«.
Wenn dem so ist, dann ist diejenige menschliche
Wohnung die beste, die zugleich beiden Zu-
ständen zu entsprechen vermag, die also das Ele-
ment einer klangvollen Schönheit mit dem Ele-
ment einer ruhigen, besonnenen Klarheit zu
vereinigen weiß. Es ist ein Fehler, wenn unsere
Wohnung allzu einseitig auf eine besondere Stim-
mungsnote festgelegt wird. Es ist eine Vielzahl
von seelischen Schwebungen und Färbungen, die
wir tagtäglich durchlaufen, und unsere Wohnung
muß von dieser Veränderlichkeit unserer Seele
wissen. Nur dann ist sie menschlich. . Wir hören
heute häufig, daß die knappe technisch-maschinelle
Ansicht, die unser öffentliches Leben darbietet,
unter allen Umständen auch unsere Wohnung be-
herrschen müsse. Und dafür spricht ohne Zweifel,
daß wir es nicht ertragen würden, wenn unsere
Wohnung sich in einen durchgängigen gewaltsamen
und künstlichen Gegensatz zum nüchternen Aspekt
unserer Arbeits-Welt stellen wollte. Wir würden
das als eine romantische Flucht, als eine Art Lebens-
Feigheit empfinden, als einen kränklichen Illusio-

nismus. Aber auf der anderen Seite wollen wir doch
auch nicht die ganze ungeschminkte Nüchternheit
der Maschinenzeit in unsere Wohnungen mitneh-
men. Denn auch das wäre künstlich und gewalt-
sam. . Wir brauchen heute also wohl einen Zu-
sammenhang unserer Wohnung mit der harten
und kalten Welt des Draußen, aber einen Zusam-
menhang, der diese Härte und Kälte gleichsam ins
Freundlichere stilisiert und für den fühlenden Men-
schen bewohnbar macht. Alle Abstraktionen sind
vom Übel: der lebendige, der empirisch wirkliche
Mensch will und kann einer humanen, zivilisato-
rischen Zone, die sich zwischen ihn und die harte
Maschinen-Welt schiebt, nicht entraten. Einer
Zone, die ihm zwar nichts Falsches und Lügne-
risches vorgaukelt, die ihm aber die »Wahrheit«
der Zeit in erträglicher Ausformung und angemes-
sener Dosierung übermittelt. . Das ist nicht Roman-
tik, nicht illusionistisches Hinweggehen über die
Wirklichkeit, sondern im Gegenteil: es ist Wissen
um die Wirklichkeit und Bekenntnis zu ihr.
In der Weisheit, die dieses »Doppelwesen des
Menschen« kennt und immer berücksichtigt, liegt
auch der Reiz und Wert der Innenräume, die hier
in diesen Heften gezeigt werden. . . Heinrich ritter.

1928. I. 1
 
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