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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 39.1928

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Wenzel, Alfred: Die Stimmung des Wohnraumes: seine Beziehung zum Bewohner
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https://doi.org/10.11588/diglit.11738#0050

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INNEN-DEKO RATION

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ARCHITEKT HUGO GORGE-W1EN SPEISEZIMMER PROF. N. AUSFÜHRG: S.BERMANN

Wir würden nun fehl gehen, wenn wir diese Tatsachen
einfach auch für die »Stimmung« des Wohnraumes als
geltend erklären wollten. Es liegt hier alles komplizierter.
Es wird sich nur in seltenen Fällen im Wohnhaus um
Räume handeln, in die man so hineintritt, wie der kunst-
liebende Beschauer vor das Bild tritt; denn sobald jene
gewisse Isolierung da ist, durch die wir das Kunstwerk
— ob es nun Bild oder Raum ist, — als etwas außerhalb
von uns Existierendes und zu Betrachtendes erkennen,
kann nicht mehr von einem Wohnraum die Rede sein.
Es macht ja gerade sein Wesen aus, daß er unmittelbar
für den Menschen da ist, ihn als Wohnenden zu »um-
fangen«. Ein Reichtum vielfältiger Beziehungen liegt
darin beschlossen: die Beziehungen zwischen Ding und
Ding, von denen wir sprachen, sind gekreuzt von solchen
zwischen Ding und Bewohner, und sie alle werden schließ-
lich umspannt von der Beziehung zwischen ihm und ihrer
Gesamtheit. Ein Raum, der sehr gut »in sich stimmen«
kann, der also einen Bereich darstellt, in dem das Ein-
zelne harmonisch angeordnet ist und sich ebenso wohl-
klingend mit dem Anderen zusammenfindet, ist darum
noch kein Wohnraum, wenn nicht alles auch gleichzeitig
mit dem Bewohner zusammen »stimmt«.........

Soll nun die Lösung des Architekten so getroffen sein,
daß der Wohnraum seinen Bewohner in eine »Stimmung«
versetzt? — Ja und nein! Nein: soweit es sich um
Stimmungs-Wirkungen handelt, die von ganz besonderer
Art sind; denn: soll der Gefühlskomplex, der durch sie

ausgelöst wird, befriedigen, dann muß die psychische
Disposition des Bewohners ihrer Besonderheit entspre-
chen; sie sind also nur angebracht in Räumen, die man
aufsuchen wird, wenn man sich schon disponiert fühlt. —
Worauf kommt es aber beim Wohnraum an, der nicht
besonderen Anlässen dient, sondern uns ständig umgibt?
— Auf eine »Stimmung«, die wir lieber »Gestimmt-
heit« nennen wollen, weil diese Bezeichnung weiter und
tiefer den Sinn trifft: in ihr wird ausgedrückt, daß alles
in sich ruht, aber auch in einer Beziehung zum Wohnen-
den steht, welche auf ihn nicht in der Richtung eines
besonderen Effektes einwirken will, sondern als eine reine
in sich gerundete Klarheit, ihn lösend, befreiend und
erweiternd umfängt; sie muß seinem Wesen adäquat
sein; und sie wird es sein, wenn sie, in sich ruhend und
nach außen Ruhe mitteilend, doch auch gleichzeitig alle
vielfältigen »Stimmungs«-Zustände, die der Bewohner
als seine seelische Bewegtheit in den Raum hereinträgt,

als Möglichkeiten umfaßt.................

Es gibt Räume, in denen man seine mitgebrachte
Heiterkeit verlieren kann, weil sie einem unpassend dünkt;
es gibt aber auch solche, die so graziös sind, daß wir
ihnen entfliehen müssen, wenn wir nicht mitschwingen
können. . Der wirkliche Wohnraum muß stets zu uns
passen. Darum muß seine »Gestimmtheit« zugleich neu-
traler und differenzierter sein. . Sie zu treffen ist
natürlich nicht leicht für den Architekten. Deshalb fehlt
sie ja auch so oft......Architekt Dr. alfred wenzel.

1928. L 'ä.
 
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