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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 39.1928

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Klages, Ludwig: Zuneigung und Abneigung: im Verkehr mit den Mitmenschen
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https://doi.org/10.11588/diglit.11738#0105

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82

INNEN-DEKORATION

FRITZ AUGUST BREUHAUS-DÜSSELDORF BAR IM KABARETT »JÜMGMQHLE«-DÜSSELDORF

ZUNEIGUNG UND ABNEIGUNG

IM VERKEHR MIT DEN MITMENSCHEN

Nicht seine Größe pflegt uns jemanden sympathisch
zu machen, sondern dies: daß wir durch ihn größer
werden. . . Jede Gegenwart eines Mitmenschen
wirkt auf den Charakter eines Menschen spezi-
fisch verändernd ein. . Mit wie vielen Menschen einer
in Berührung zu kommen pflegt, über ebensoviel verschie-
dene Physiognomien verfügt seine Seele.........



Sehr sensible Naturen, die sich selbst nicht leicht aus
dem Bewußtsein kommen, verlieren in Gesellschaft
mehrerer Personen, deren jede einzeln ihnen genehm
sein mag, oft die innere Haltung. Ihr Wesen sucht sich
unaufhörlich einem jeden anzupassen. Indem es unter
den sich kreuzenden Nötigungen einen mittleren Zustand
erreichen will, der allen zugleich Genüge tut, gerät es
leicht völlig »außer Fassung« oder nimmt seinen Notaus-
gang zu steinerner Verschlossenheit. Es ist kein Zweifel,
daß sogar die Erfindung gewisser gesellschaftlicher Zere-
monien in diesen Schwierigkeiten ihren Grund hat. . . .

*

Der Einklang der Gemüter wird von jedem einzelnen
als eine innere Bereicherung und Vermehrung emp-
funden. Rezeptive Naturen werden ein gesteigertes Ge-
fühl des Glücklichseins und eine allgemein erhöhte Auf-
fassungs-Gabe, produktive Charaktere einen Zuwachs an

Ideen und Kombinationen gewinnen. Der Künstler wird
unter der Gewalt sympathischer Erregung vielleicht ein
neues Werk ersinnen, der Forscher für ein lange vergeb-
lich durchdachtes Problem plötzlich die Lösung finden.
Schon die stumme Gegenwart gewisser Personen genügt,
um ein zuvor nicht vermutetes Leben der Seele erblühen
zu lassen, und diese Personen sind es, die man als tief

sympathisch bezeichnet.................

*

Auf der andern Seite reicht die bloße Anwesenheit
gewisser Menschen hin, uns in einen inneren »Verteidi-
gungs-Zustand« zu versetzen. Ohne daß man uns, sei es
mit Worten, sei es auch nur mit Mienen, angegriffen hätte,
sind wir aus uns selber unbekannten Gründen gezwungen,
uns zu verschüeßen und kampfbereit zu machen. . . .



Da nun auf kampflustige Charaktere dergleichen
Gemütsbewegungen wie starke Aufrüttelungen und An-
spornungen wirken und insofern möglicherweise eben-
falls verstopfte Kraftquellen wieder zum Fließen bringen,
so werden antipathische Erregungen nicht immer und
unbedingt als unangenehm empfunden. Aber dies ist
keine innere Bereicherung; es ist nur ein Zusammensuchen
und Ins-Licht-Rücken von Wesensseiten und Fähigkeiten,
deren man auch sonst bei genügender Achtsamkeit sich
 
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