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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 39.1928

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Christoffel, Ulrich: Die biologische Einheit: Lebensrhythmus und Formwille
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https://doi.org/10.11588/diglit.11738#0149

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126

INNEN-DEKORATION

DIE BIOLOGISCHE EINHEIT

LEBENS-RHYTHMUS UND FORMWILLE

Der Europäer kann sich nur ausnahmsweise, wenn
seine innere Stimme schweigt«, — so meint Ulrich
Christoffel in »Kunst und Handwerk«, — »auf sein
körperhaftes Dasein besinnen und mit seinen Händen
Form verwirklichen, das Handwerk zur Kunst machen;
und selbst dann kommt er über Halbheiten nicht hinaus,
weil für ihn Form nicht der adäquate Ausdruck seiner
Instinkte, sondern meist eine von äußeren Einflüssen mit-
bestimmte Abstraktion ist, und ihm die letzte Konsequenz
einer formalen Sachkultur überhaupt fehlt. . Mit Neid
blickt Europa heute auf die Kulturen des Ostens und die
primitiven Rassen des Südens, die jene Vollendung und
Gewißheit der Form besitzen, die das Kunsthandwerk
den Naturgewächsen und Gesteinen gleichsetzt. . Europa
beneidet heute die Wilden um die »biologische Ein-
heit« ihres Daseins und um die Form ihres Lebens. Eine
aus der Mischung der Nationen hervorgegangene Masse
sehnt sich nach Struktur, möchte wieder »in Form « sein.

Der Sport und das Kunstgewerbe sind die Ausdrucks-
formen dieses Verlangens der Masse nach Form. Mög-
lich, daß das Training der Massen durch Sport etwas
wie ein Formgefühl züchtet, das abstrakte, technische
Formen hervorbringt. Möglich, daß ein europäisches
Kunstgewerbe entstehen kann, das in seiner sozialen

Zweckmäßigkeit der Hygienik des Sportes entspricht,
sodaß die Massen in den Städten zu ihrem eigenen Le-
bensstil gelangen. Glück und Leistungsfähigkeit der ge-
formten Massen würden sich intensivieren. . Wenn der
neue Rhythmus, der die Massen heute bewegt, nicht nur
Tanz und Sport, sondern Arbeit, Verkehr und alles Leben
erfaßt hat, dann erwächst dem Kunsthandwerk die Auf-
gabe, die Normen zu schaffen, die diesem auf technischer
Sparsamkeit und Zweckmäßigkeit beruhenden, rhyth-
misierten Leben entsprechen. Das Kunsthandwerk wird
dann der rassigen Derbheit des Sportes konform werden
müssen und brauchbare Arbeit leisten, statt in forma-
listische Spielereien sich zu verlieren. Das Kunsthand-
werk der Massen braucht keine preziöse, es braucht

schlichte, sachliche Form.................

Es mag eine Utopie sein, daß Kunsthandwerk und
Sport ihr gemeinsames Ziel erreichen, der Masse eine
»Lebensform« zu geben, aber diese Utopie ermöglicht
erst eine Kritik des heutigen Kunstgewerbes. Das Kunst-
handwerk kann nur lebensverbundene Kunst im Sinne
jener biologischen Form der primitiven Rassen werden,
wenn es sich von der Bewegung der Masse mit fort-
reißen läßt und der im Sport gewonnenen Disziplinier-
ung des Lebens die äußere Form geben kann«. . . c.
 
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