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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 39.1928

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Schürer, Oskar: Über Stil und Mode: Stil gestaltet das Überzeitliche
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https://doi.org/10.11588/diglit.11738#0229

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205

INNEN-DEKORATION

UEBER STIL UND MODE

STIL GESTALTET DAS ÜBERZEITLICHE

Viele halten »Stil« und »Mode« für ganz gleich-
wertig: die Mode ist der Stil der Kleidung, der
Stil der Lebensgewohnheit einer Zeit, der Stil der Be-
lustigung — so sagen sie. Aus der Mode lesen wir die
Zeitstimmung ab, wie aus dem hohen Stil der Kunst. .
Dem wird entgegen gehalten: daß die Mode verfällt,
während der Stil bleibt. Das ist so zu verstehen, daß
Modeformen nach zwanzig Jahren lächerlich wirken oder
verschollen sind, während Stilformen in der Kunst z. B.
auch nach hundert Jahren Achtung erheischen. Dem ist
nicht zu widersprechen, und es scheint, daß von hier aus
ein Weg zur Unterscheidung von Stil und Mode zu finden
ist. Wir nehmen auf der Suche nach ihm nicht die Rich-
tung rückwärts, den Rückblick auf frühere Formen, son-
dern besser die Vorschau, die Richtung des Schaffens. .

*

Mode wächst schnell, verbreitet sich rasend, zwingt
Überzeugte und Unüberzeugte. Sie überzieht alles, was
die Zeit bietet, an der Oberfläche mit einer gewissen
Patina, ohne in ihr Letztes einzudringen. Sie hat eine
gewisse Vehemenz, aber keine Tiefenwirkung. Sie bleibt
im Angewandten stecken, erfüllt sich restlos in solcher
für den Augenblick beziehungsreichen Anwendung.

Ganz anders der Stil. Jahrzehnte braucht er, um sich
in seinen Grundlinien zu finden. Wieder Jahrzehnte, um
alles Zeitgenössische zu durchdringen. Und nie ist er
mit der Durchdringungs-Arbeit zu Ende: er gestaltet
durch, bis eine Form entsteht, in welche die über-
zeitlichen Kräfte einschießen. Möchte man auf den
ersten Anblick die Mode als die oberste Wellenkräuselung
des Stiles bezeichnen, so trifft man bei näherer Erfor-
schung auf eine unterschiedliche Grundtendenz beider:
Ausdrucksträger sind beide, — aber Wille und Ziel des-
sen, was ausgedrückt werden soll, und ihm entsprechend
auch das Ergebnis des Ausdrucks sind verschieden. .

Die Mode ist das launige Kind der Zeit — der Stil
ist der Zeitgestalter. In der Mode belustigt sich die
Gegenwart — im Stil wird sie sich ihrer bewußt. In der
Mode verrennt sich eine Zeit oft bis in die spielerische
Grimasse — im Stil beherrscht sie sich oder vergeudet
sich in sublimster Durchformung all ihren Gehalts.
Moden sind Zuckungen, Rinnsale, die sich verlaufen.
Der Stil sammelt im großen einheitlichen Strom die schöp-
ferischen Kräfte bis zu einem majestätischen Erliegen und
Übergang in der großen Wandlung. . Dr. oskar schürer.
 
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