Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 39.1928
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Michel, Wilhelm: Von der neuen Gestalt
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INNEN-DEKORATION
HAUS & GARTEN (FRANK U. WLACH)-WIEN SCHLAFZIMMER DER DAME. HAUS H. u. M. B.
VON DER NEUEN GESTALT
Glauben Sie je«, sagte der Freund des Architek- Die Widerstände, auf die die Kunst je und je ge-
ten, »daß Sie die Menschen für diese moder- stoßen ist, kommen nicht daher, daß sie etwas aus-
nen Raum-Ideen gewinnen werden? Sie, der spricht, was den Menschen fremd ist, sondern ganz
Künstler, holen sich Ihre Begeisterungen und In- im Gegenteil: sie kommen daher, daß die Kunst
spirationen aus irgend einer geistigen Quelle, die gerade das Eigentlichste und Wesenhafteste der
den Laien unzugänglich ist, Sie treten damit vor zugehörigen Menschen deutlich zu sagen wagt,
eine Welt, die garnicht verstehen kann, was Sie Sie weiß einen Tag, eine Viertelstunde früher als
im Innern bewegt, und Sie glauben dennoch, daß die Laien, was los ist; das ist das ganze Geheim-
Sie diese Welt überzeugen werden?« — »Aber nis. Die Menschheit ist viel frischer, viel wand-
nein, lieber Freund«, antwortete der Architekt. . lungsfähiger und wandlungsreicher, als sie weiß.
»So liegt die Sache nicht. Das Wesentliche ist Deshalb ist ihr die Kunst beigegeben als ihre indis-
nicht, daß ich die Welt für meine Ideen gewinnen krete Freundin, die sie immer wieder daran erin-
will, sondern daß ich für die Ideen dieser Welt nert, wie jung sie ist, wie kräftig sie weiter geht
gewonnen bin und sie auszusprechen suche.«. . . und wie wenig sie daran denkt, irgendwo stehen
★ zu bleiben. Die Wahrheit der Kunst ist nur des-
»So«,sagtederFreundnacheinemkurzenSchwei- halb immer die Wahrheit von morgen, weil sie
gen, »Sie wollen also behaupten, daß Ihre neuen die Verschleierung von heute nicht mitmacht.«
Raumgedanken die Gedanken Ihrer Mitmenschen *
sind. Aber wie kommt es dann, bitte, daß diese »Aber, aber!«, meinte der Freund, nicht ohne
vor Ihren Formen zurückschrecken, daß Sie Be- ein Lächeln, »hat denn die Menschheit je die Wahr-
hagen und Schönheit und Gott weiß was darin ver- heit gewollt? Hat sie ihr nicht immer, wenigstens
geblich suchen?« — »Weil die Menschen immer im Wohnen, den schönen Schein, um nicht zu sagen:
eine gewisse Zeit brauchen, um das lesen zu 1er- die Lüge vorgezogen?« — »Die Freude am schönen
nen, was ihrem eigenen Wesen entsprungen ist. Schein«, gab der Architekt zurück, »war immer
INNEN-DEKORATION
HAUS & GARTEN (FRANK U. WLACH)-WIEN SCHLAFZIMMER DER DAME. HAUS H. u. M. B.
VON DER NEUEN GESTALT
Glauben Sie je«, sagte der Freund des Architek- Die Widerstände, auf die die Kunst je und je ge-
ten, »daß Sie die Menschen für diese moder- stoßen ist, kommen nicht daher, daß sie etwas aus-
nen Raum-Ideen gewinnen werden? Sie, der spricht, was den Menschen fremd ist, sondern ganz
Künstler, holen sich Ihre Begeisterungen und In- im Gegenteil: sie kommen daher, daß die Kunst
spirationen aus irgend einer geistigen Quelle, die gerade das Eigentlichste und Wesenhafteste der
den Laien unzugänglich ist, Sie treten damit vor zugehörigen Menschen deutlich zu sagen wagt,
eine Welt, die garnicht verstehen kann, was Sie Sie weiß einen Tag, eine Viertelstunde früher als
im Innern bewegt, und Sie glauben dennoch, daß die Laien, was los ist; das ist das ganze Geheim-
Sie diese Welt überzeugen werden?« — »Aber nis. Die Menschheit ist viel frischer, viel wand-
nein, lieber Freund«, antwortete der Architekt. . lungsfähiger und wandlungsreicher, als sie weiß.
»So liegt die Sache nicht. Das Wesentliche ist Deshalb ist ihr die Kunst beigegeben als ihre indis-
nicht, daß ich die Welt für meine Ideen gewinnen krete Freundin, die sie immer wieder daran erin-
will, sondern daß ich für die Ideen dieser Welt nert, wie jung sie ist, wie kräftig sie weiter geht
gewonnen bin und sie auszusprechen suche.«. . . und wie wenig sie daran denkt, irgendwo stehen
★ zu bleiben. Die Wahrheit der Kunst ist nur des-
»So«,sagtederFreundnacheinemkurzenSchwei- halb immer die Wahrheit von morgen, weil sie
gen, »Sie wollen also behaupten, daß Ihre neuen die Verschleierung von heute nicht mitmacht.«
Raumgedanken die Gedanken Ihrer Mitmenschen *
sind. Aber wie kommt es dann, bitte, daß diese »Aber, aber!«, meinte der Freund, nicht ohne
vor Ihren Formen zurückschrecken, daß Sie Be- ein Lächeln, »hat denn die Menschheit je die Wahr-
hagen und Schönheit und Gott weiß was darin ver- heit gewollt? Hat sie ihr nicht immer, wenigstens
geblich suchen?« — »Weil die Menschen immer im Wohnen, den schönen Schein, um nicht zu sagen:
eine gewisse Zeit brauchen, um das lesen zu 1er- die Lüge vorgezogen?« — »Die Freude am schönen
nen, was ihrem eigenen Wesen entsprungen ist. Schein«, gab der Architekt zurück, »war immer