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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 39.1928

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Strich, Walter: Das Rationale und Irrationale
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https://doi.org/10.11588/diglit.11738#0499

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IN NEN-DEKO RATION

WERKSTÄTTEN HAUS & GARTEN-WIEN BADEZIMMER DER DAME. HAUS H. u. M. B.

DAS RATIONALE UND IRRATIONALE

Es ist die Tragik des Menschengeistes, mit seiner Dieses Bewußtsein beherrscht den sehnsüchtigen
Vernunft einem Dasein gegenüberzustehen, »utopischen« Menschen, dem das Gestaltlose der
das sich niemals restlos in Formen und Begren- wahre Ausdruck der Wirklichkeit ist. Er glaubt
zungen fassen läßt. Das Grundgefühl des irratio- nicht daran, daß der vernünftige Mensch das Maß
nalen Menschen ist nicht die Selbstsicherheit der der Dinge abgeben kann, und ist von tiefem Miß-
Vernunft, sondern das Niedergedrücktsein von dem trauenbeseeltgegenalle Gestalt, in der das Grenzen-
Grenzenlosen, das jedes Maßes spottet. Und immer lose sich in selbstverständlicher Harmonie der be-
wieder bricht das utopische Verlangen durch, von grenzten Form einen will. Die Transzendenz des
der »Zweckform« des Bewußtseins frei zu sein und eigentlichen Weltprinzips verlangt die Unversöhn-
sich dem »Grenzenlosen«, das hinter dem Einzelnen barkeit mit aller endlichen Erscheinung der natür-

liegt, hinzugeben. Die Vernunft kann dies Gefühl liehen Erfahrung....................

des Tragischen zurückdrängen, sie kann wähnen, Die Geschichte der europäischen Menschheit

im Dienst des Lebens die irrationalen Mächte be- ist der Schauplatz dieser Tragödie des Ringens

siegt zu haben, sie kann in dem Gewissen der zwischen dem Rationalen und dem Irra-

Menschheit das Bewußtsein dieser Vermessenheit tionalen. Eine Tragödie, weil es keine Lösung

und das Gefühl des Tragischen der bewußten des Konfliktes gibt. Die Geschichte Europas zeigt

Einzel-Existenz in dem an sich Grenzenlosen nicht eine immer stärker wirkende Rationalisierung

ertöten. Denn niemals siegt Apollo über Dionysos, des Lebens, ohne es dadurch glücklicher zu ge-

Ewig bleibt das Bewußtsein wach, daß der stalten. Die Notwendigkeit der Rationalisierung

Mensch mit seiner Vernunft seine eigenen Grenzen und das Grandiose dieses Weges läßt sich nicht

überschreitet, daß das Irrationale nicht »Gestaltung« leugnen. Die Einseitigkeit aber bleibt bestehen,

sondern »Hingabe« verlangt, daß sein höchstes Das Wesen des Weltgeschehens ist begründet in

Erleben nicht der Genuß endlicher begrenzter dem Irrationalen, und alles Rationale bleibt ein

Formen ist, sondern die Erschütterung, in der sich Versuch, es zum Besten zu lenken, gegen den immer

dem begrenzten Bewußtsein das Formlose offenbart, wieder mit dem gleichen unerschütterlichen Be-
 
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