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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 40.1929

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Wenzel, Alfred: Vom Stil der Lebenshaltung
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https://doi.org/10.11588/diglit.10701#0302

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280

INNEN-DEKORATION

ARCHITEKT OTTO F1RLE IN BERLIN NISCHE IM SPEISEZIMMER. HAUS Dr. H.

VOM STIL DER LEBENSHALTUNG

Wir meinen, wenn wir heute vom »Stil der
Lebenshaltung« sprechen, etwas anderes
als vor dreißig Jahren. Damals war damit eine ex-
klusive Angelegenheit umrissen: »Stil haben« setzte
»Nerven« voraus — auch dieses Wort in einem
andern Sinne gebraucht als heute, — die nicht jeder,
sondern nur der besonders präparierte Kultur-
mensch haben konnte; Absonderung von den an-
dern stand am Anfang, ihr Format blieb beschränkt,
da es an der eigentlichen Produktivität mangelte.
»Stilvoll sein« war im Wesen nichts anderes als
Sichumgeben mit Dingen, die man auf ihre »Nuance«
hin eklektisch aus allen Zeiten zusammentrug.

*

Das, was uns heute vorschwebt, wenn wir
»Lebensstil« sagen, ist etwas im Ethischen
Fundiertes; auch wir denken an eine Form, aber
an eine Form, in der nichts mehr von der Geste
der Isoliertheit, von der Allüre zu spüren sein soll,
weil wir sie überwunden zu haben glauben; es
schwebt uns eine Form vor, in der ein gereinigtes
Eigentlich - Menschliches seine Gestalt wieder-
gewinnen soll. Daß ein Prozeß der Reinigung sich
vollzogen habe, dürfen wir annehmen. Zumindest

sind wir im Siebe geschüttelt worden und auf einen
gemeinsamen Boden gekommen, auf dem auch
eine gemeinsame Lebensform allmählich
entstehen kann. Diese Gemeinsamkeit scheint uns
heute das Wesentlichste am »Stil«. Noch nie ist so
wie heute empfunden worden, wie ihn manche
Zeit hatte, und wie sie Stil nur haben konnte kraft
der innerlichen Verbundenheit ihrer Menschen. .

Immerhin dürfen wir hoffen, auf gutem Wege
zu sein. Die Struktur unserer umgeschichteten
Gesellschafts-Ordnung scheint uns gewisse Garan-
tien zu geben, sie bilden freilich nur die Basis, und
man darf sie nicht überschätzen, da schließlich
jene Ausgleichungen, wie sie eine Umwälzung im
Politischen ergibt, sich nur beim geistigen Men-
schen, auf dem Wege über das erkennende Be-
wußtsein, in einen Impuls, die »neue Form« zu
suchen, umsetzen werden. Das eigentlich Bestim-
mende für den »Stil« einer Allgemeinheit in ihren
weiteren Schichten wird in der Art eines nicht
gedachten, sondern tatsächlichen Vor bilde s —
des »Ideals« — liegen, zu dem man hinaufblickt.
Aber auch darüber dürfen wir beruhigt sein: heute
fällt dieser Blick »nach oben« nicht mehr auf
 
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