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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 42.1931

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Schiebelhuth, Hans: Alter und neuer Raumbegriff, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.10795#0084

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62

INNEN-DEKORATION

ARCHITEKTEN MÜHLSTEIN u. FÜRTH-PRAG SPEISEZIMMER. NUSSHOLZ. HAUS SCH.-PRAG

ALTER UND NEUER RAUM-BEGRIFF

Ii

Neuere Untersuchungen über die Eindrucks-
Wahrnehmungen der Blinden (Umrißempfind-
lichkeit, Sehfähigkeit der Haut, Ahnungsvermögen
des Körpers, Ferntasten usw.) ergaben interessante
Feststellungen über die Funktion des »Raum-
sinnes«.. Griechische Arzte wußten bereits, daß
das Nervenzentrum im Zwerchfell, das sog. Son-
nengeflecht auch zur Wahrnehmung ausgerüstet
ist.. Jedenfalls dürfen in unseren Tagen, in denen
man z. B. Trieb und Energie am Unterschied der
Temperaturen im Körper mißt, die Funktionen des
Gleichgewichtssinns und des »Raumsinns« in ihren
Wirkungen faßbar, vielleicht meßbar werden.

*

Die gewandelte Raum-Auffassung ist
auf allen Gebieten der geistigen Lebensäuße-
rung Tatsache geworden. In Literatur und Musik
werden heute Gestalt- und Erlebnisraum gleich-
falls »dynamisch« gefühlt und gefüllt. Der alte
Rahmen-Raum und mit ihm der Glaube an unbe-
dingte Gesetzmäßigkeit sind überlebt. Das mo-
derne Gedicht ist motorisch, die moderne Prosa

zeigt Versachlichung der Sprache aufs Funktio-
nelle: knapper Ausdruck, greifbar anschauliche,
jedoch unbeschauliche Art der Mitteilung, Wech-
sel der Blickpunkte und zügigen Wandel der
Satzschichtung, unstatischen Stil, Tendenz zum
'Tempc. Die moderne Musik hat das gefaßte Klang-
gefüge aufgegeben; sie ist wesentlich rhythmisches
Geschehen, sie arbeitet mit atonischen Mitteln.

*

Die exakte Wissenschaft steht heute im
Zeichen der Absage an die »feste Größe«, des
Eintritts in die Relativität. Der Weg ging vom
»geometrischen Punktraum« Euklids zur »astro-
physischen Raumzeitwelt« Einsteins; allenthalben
erwies sich dieFragwürdigkeit der Sonder-Begriffe:
Raum und Zeit. . Ist in der Psychologie nicht
das »Ich« als unendliche Bewegtheit durch den
Trieb gedeutet, so daß jede starre Ordnung als
(wünschenswerte oder gefährdende) Hemmung
oder Bedingtheit aufgefaßt wird? Besteht da im
»Innenraum des Menschen« noch etwas als
fest und unverrückbar? Sind nicht die Schlaf kam-
 
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