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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 42.1931

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Schiebelhuth, Hans: "Der Ausblick ins Freie"
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https://doi.org/10.11588/diglit.10795#0179

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INNEN-DEKORATION

157

BLICK DURCH
DEN WINTER-
GARTEN IN D.
PARK. HAUS 1.

»DER AUSBLICK INS FREIE«

Fensterrahmen und Türfassungen, die dem Woh-
ner den Blick ins Freie verstatten, müssen
einem strengen psychologischen Gesetz gehorchen
und gerecht werden. Sie dürfen den Innenraum
nicht hinausreißen, sie dürfen das Draußen nicht
gewaltsam hereindrängen. Sie müssen »Rahmen
und Fassung« für den Ausblick schaffen, also das
Draußen vom Drinnen entschieden trennen, ab-
grenzen und distanzieren. Dann bekommt der Blick
ins Freie einen künstlerischen Sinn, erst dann ge-
hört er nicht mehr dem Zufall an, sondern zur Ar-
chitektur; erst dann gehört er dem Wohner wirk-
lich und bestätigt ihn durch Haltung und Gehalt.

»Die Landschaft uns vor Augen« ist das Glück
des Spaziergängers. Der fest und bestimmt einbe-
zogene Ausblick ins Freie — nicht als beschränk-
ter Ausschnitt, sondern als geschlossenes »Bild« —
ist die Beglückung dessen, der wahrhaft zu wohnen
versteht. Das Draußen dringt nicht beunruhigend
mit seiner ganzen Lebendigkeit ein, sondern es
schwingt mit. . Am geschlossenen Ausblick
erfährt der Wohner Fülle, Weite und Ordnung der
Landschaft; er verinnigt und vertieft seine Beob-
achtung der gestalteten Natur; das streng gefaßte
Sichtfeld lenkt ihn nicht ab, macht ihn nicht schwei-
fend, sondern es sammelt ihn und beruhigt ihn.

Der geschlossene Ausblick gehört dem Wohner
ganz: über die niedere Heckehinweg unddenruhig
gedehnten Rasen bis an den endlichen, unverrück-
baren Horizont, der zwischen Baumgruppen dem
Auge ein Ziel setzt. Das Werden, Sichwandeln
und Verändern vollzieht sich »im Rahmen« mit
einer merkwürdig leichten und gelösten Verhal-
tenheit, die Bewegung erhält etwas Traumhaftes.

*

Alles spielt sich hier wie auf einer Bühne der
beruhigten Beobachtung ab. Licht und Schatten
begehen sich anders zu den verschiednen Stunden
des Tags; nachts erregt das Wunder der Bestir-
nung. Dohlen umkreisen die Baumwipfel, Amseln
hüpfen im kurzen Gras. Wolken und Wolkenschat-
ten weh'n über das Bild; dies wird zum Ereignis.

Und reich und zart rauscht vor den Augen des
Wohners der Kreis der Jahreszeit vorbei: der
FrühÜDg mit goldgrünem Junglaub und den Flam-
men der Krokus zwischen dem jungen Gras; der
Sommer mit satter Grüne und üppigerem Blau;
der Herbst mit den dröhnenden Farbenwundern
und den Schwärmen der Stare; der Winter mit
Grauhimmeln und ruppigem Wind, der übers ver-
gilbte Gras und durch das schwarze stille Gestäng
der entlaubten Bäume fährt. . . hans schiebelhuth.
 
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