Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 42.1931

DOI Artikel:
Schiebelhuth, Hans: Das neue architektonische Gesicht: das zeitgemässe Heim trägt die Züge der Neuzeit
DOI Artikel:
Hardenberg, Kuno Ferdinand von: Der Lebenskünstler
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.10795#0251

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
DAS NEUE ARCHITEKTONISCHE GESICHT

das zeitgemässe heim trägt die züge der neuzeit

In Europa ist die Forderung nach einem ver-
änderten formalen Außenaspekt der Wohn-
haus-Architektur weit durchgedrungen. Es
gibt wohl noch manche, denen das Gesicht der
neuen Bauweise zu kalt und hart vorkommt und
die sich auf Versuche, der heimeligen Romantik
nachzugehen, einlassen. Aber gerade weil wir an
echten alten Bauten reich sind, erfreut uns die
neue Art in ihrer Klarheit, Nüchternheit und
Frische. Im großen Ganzen sind wir über den
falschen Traditionalismus der Gründerjahre längst
hinaus und wissen, daß moderne Architektur nicht
mit dem Gesicht der alten Bauweise auftreten
kann. . Ein Haus ist immer ein gegen den Himmel
abgeschlossenes, von Wänden eingefaßtes Raum-
gefüge gewesen, mit Türen und Fenstern, die als
Auge, Atmungs- und Verbindungsorgan dienen.
Aber nun bekommt die alte Sache durch die
neue Bauweise ein neues, scharf zügiges Ant-
litz, sie gewinnt eine neue Schönheit, und braucht
den Gemütswert: »Heim« zu sein — wie un-
zählige Beispiele beweisen — nicht zu verlieren.



Sonderbarerweise zeigen sich die Ameri-
kaner — die bei uns als Sachlichkeitsfanatiker
angesehen werden — in ihrer Wohn bau-Weise
noch als heillose »Romantiker«. Der zuge-
reiste Europäer, der heutzutage mit neugierigen
Augen durch die Straßen einer typisch ameri-
kanischen Villenvorstadt — zumal im Westen, in
Kalifornien — geht, staunt und wundert sich über
nichts so sehr als über den Anblick der dort
beliebten Architektur. Aus einem verständlichen
Bedürfnis, sich in die architektonische Tradition
der alten Welt einzugliedern, bauen sich die Leute
dort Häuser, die wie pseudo-andalu«ische Land-
sitze, wie englische »Cottages«, wie gotische
Miniaturburgen, wie nachgemachte japanische
Bungalows aussehen. . Dabei sind diese Häuser
aus modernen Materialien gebaut und stehen, was
wohntechnische Einrichtung und Komfort anbe-
trifft, unstreitig auf der Höhe der Zeit. Es mag im
Living-Room ein »Open Fire-Place«, ein offener
Kamin sein: wenn man Wärme wünscht, braucht
man nur auf einen Knopf zu drücken, und die
Hitze strömt aus dem wohlbetonierten Keller
durch große Zugröhren unmittelbar aus einer
vergitterten Luke der Stuckwand. Es gibt die
raffiniertesten Badezimmer, die idealsten Küchen,
es gibt die praktischsten »clothes closets«,
Kleidergelasse, die luftigsten »sleeping-porches«,
Schlaf-Altanen in diesen romantischen Häusern.
Wenn der zugereiste Europäer in solchen Häu-
sern wohnt, pflegt er wohl gelegentlich amerika-
nische Freunde wegen dieser Diskrepanz zwischen

Bau-Art und architektonischem »Gesicht« zu be-
fragen. Er erhält dann prompt die Antwort, die
den standardisierten Begriff von der »need of
formal tradition«, der Not nach formaler Tradition,
enthält. Wendet er ein, daß es doch nicht anginge,
mit dem Apparat von 1930 in einem Gehäus, das
aus Dingsda und von Anno Dazumal stammt, also
für die modernen Amerikaner ins Völkerkunde-
Museum gehöre, zu wohnen, dann empfängt er
den lakonischen Bescheid: »Sie sehen ja, daß es
sehr gut geht!« . Wendet der Fremdling abermals
ein, daß man doch auch nicht Autos wie alte
Kaleschen oder Dampfschiffe in Galeerenform
baue, dann wird ihm entgegnet: Autos und Dampf-
schiffe seien Maschinen. . Zieht er seinen letzten
Trumpf,und erklärt, daß die schönsten Skyscrapers
von Manhattan-Downtown das reinste Zeitgesicht
trügen, dann kommt der Bescheid: »Ja, aber das
sind doch keine Heime!« . Unter Tausenden wird
man heute dort noch kaum einen finden, der
versteht; daß moderne Wohnbau-Technik und
zeitgemäßer Wohnmechanismus ganz organisch
ein neues »architektonisches Gesicht« bedingen
und verlangen, und dennoch — oder besser gerade
in solcher Erscheinung das Heim für den Men-
schen unserer Zeit darbieten. . hans schiebelhuth.



DER LEBENSKÜNSTLER

Es gibt eine Ästhetik, die im Grunde Ethik ist.
Das pflegt der Fall zu sein, wo der schöne
Schein edles Gewand ist, das ein harmonisches
Wesen bekleidet. . Nichts ist so unerträglich, wie
Ästhetentum, das nicht aus echtem, reichen Men-
schentum resultiert, das Schminke bedeutet und
nicht natürliche, gepflegte Epidermis. Ästhetik
muß Ausdruck einer Lebensform sein, in den
Tiefen organisch begründet, Notwendigkeit be-
stimmter seelischer und geistiger Funktionen.

*

Der wahre Ästhet symbolisiert sich samm-
lerisch, eklektisch, kompilatorisch, — wie sich der
Künstler schöpferisch symbolisiert. . Nur in die-
sem Sinn erfaßt, kann der Lebenskünstler einem
Hause, einer Wohnung echte »Atmosphäre« ge-
ben, d. h. jenen Komplex von gepflegter Geistig-
keit, von schwingenden Farben und rhythmisch
bewegten Formen, der so beglückend sein kann..
Die Atmosphäre des übertriebenen Luxus — wie
die eines jeden »Zuviel« — kann unerträglich sein,
denn sie enthält ein tötliches Element: stagnie-
rende Wunschlosigkeit. . Echte Lebenskunst läßt
nichts entbehren und weiß doch Wünsche wach zu
erhalten. Wo man nichts mehr vermißt, ist man dem
Ende des Lebens nahe. . . kuno graf v. Hardenberg.
 
Annotationen