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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 42.1931

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Schumacher, Fritz: Schaffenskraft und Typus
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https://doi.org/10.11588/diglit.10795#0431

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SCHAFFENSKRAFT UND TYPUS

Das bewegliche Getriebe de» heutigen Daseins
ist an sich schon so bunt und unruhig, daß
wir es immer mehr als unerträglich empfinden,
wenn der Hintergrund, auf dem es sich abspielt,
nun auch noch bunt und unruhig wirkt. Unser
ganzer Sinn muß notwendigerweise immer mehr
nach klaren, einfachen Rhythmen drängen.

Die Bindung in den Forderungen, die das Fest-
legen eines »Typus« bedeutet, bedeutet für die
Schaffensfreiheit des architektonischen Künstlers
kein Hemmnis. Der Künstler bleibt innerhalb des
Typischen in seiner Kunst beweglich. . Wird von
ihm die Erfüllung einer Forderung verlangt, die
in einer ganz bestimmten individuellen Form an
ihn herantritt, so wird er in hohem Maße Sklave
dieser besonderen Form. Hat die Forderung aber
typischen Charakter, so bieten sich ihm stets zahl-
lose Möglichkeiten, den Typus zu verwirklichen.
Es würde also ganz falsch sein, zu glauben,
daß sich der Künstler vor diesem Zug zum Typi-
sieren der Aufgabe zu fürchten braucht. Echte
Schöpferkraft wird dem Streben nach dem Typus
niemals aus dem Wege gehen. Wer den Typus

verschmäht, weil er glaubt, innerhalb seiner Gren-
zen nichts Neues schaffen zu können, offenbart
damit seine Schwäche. Wer ihn verschmäht, weil
er glaubt, innerhalb seiner Grenzen nicht genug
zur Geltung zu kommen, offenbart damit seinen
Egoismus. Alle starke Architektur sucht den Ty-
pus. Aus dem Typus der Kuppel von Florenz
schuf Michelangelo St. Peter. Aus St Peter machte
Christopher Wren die Kuppel von St. Paul. Aus
dem Palazzo Rucellai des Alberti machte Bra-
mantedie Cancelleria und Sanmicheli den Palazzo
Bevilacqua. Jeder schuf ein individuelles Meister-
werk auf der Grundlage des gleichen Typus.

*

So wird der Genius nicht gehemmt, er wird
da neues Leben wecken, wo der Schwächere nur
nachahmen kann. Dem Schwächeren aber wird
ein sicherer Stab gegeben, so daß sein Taumeln
uns nicht mehr Ärgernis bereitet. . Die Zurück-
haltung, die Einheitlichkeit erzeugt, ist der eigent-
liche Maßstab einer gefestigten Allgemeinkultur,
das Zeichen einer inneren Sicherheit, die keiner
äußerlichen Effekte bedarf. . . . fritz Schumacher.

1931. XI. 2.
 
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