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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 43.1932

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Meller, Paul: Eine Wohnung mit Stahlmöbeln
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https://doi.org/10.11588/diglit.10798#0385

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INNEN-DEKORATION

373

wohnuno anton lorenz in berlin

sitzmöbel-oruppe. grosser tagf.sraum

EINE WOHNUNG MIT STAHLMÖBELN

Wir haben einen Sprachschatz zur Bestimmung
von Raum-Eindrücken; wir sprechen von »ge-
mütlichen, vornehmen, stillen, warmen und kalten«
Räumen. Diese Worte sind »assoziative Erinnerungs-
Werte«, die auf erste, meist Kindheits-Eindrücke zu-
rückzuführen sind. . Es gibt immer noch Leute, die
meinen, Stahlmöbel gäben dem Raum »etwas Kal-
tes«. Es ist zwar wahr, daß unsere räumlichen Emp-
findungen nicht nur optische sind, sondern daß Tast-
und andere Sinnes-Eindrücke in erheblichem Maße
mitbestimmend für das Raum-Erlebnis sind; das Ge-
fühl des »Kalten« aber bei Stahlmöbel-Räumen hat
seine Ursache in dem Umstand, daß die Menschen der
Übergangszeit dem Stahlmöbel zuerst beim Zahnarzt
oder in der Klinik begegneten, und diese ersten Ein-
drücke verfolgen den Menschen oft ein Leben lang. . .



Wer unbefangen mit geöffneten Sinnen im Leben
steht, wessen Augen nicht verlernt haben zu sehen,
der Mensch, für den nicht Schlagworte die Vorherr-
schaft in seinem Apperzeptions-Apparat eingenom-
men haben, der erlebt täglich eine neue Welt, er ist
fähig, sich vorurteilslos und ganz unbefangen neuen
Eindrücken hinzugeben, ein neues, konventionsfreies
Alphabet der Sinnes-Empfindungen entsteht in ihm.

Die »Wohnung Lorenz« in Berlin ist ein vortreff-
liches Beispiel zur Widerlegung der Skepsis und Ab-
lehnung des Stahlmöbels. Herr Lorenz, der nicht nur
Gestalter seiner Wohnung und der darin aufgestellten
Stahlmöbel ist, sondern auch als Fabrikant von Stahl-
möbeln alle Probleme und Einwände, die diese Ma-
terie betreffen, tausendfach durchdacht hat, kennt das
Geheimnis der psychischen und physischen Wirkung
seines Materials. Er verwendet das blankverchromte
Stahlrohr als lebendigen Kontrast zum weichen, wal-
lenden Textilstoff, er läßt den kalten Glanz des Chro-
mes gegen den milden warmen Holzton spielen und
erreicht mit dieser Koppelung von Gegensätzen eine
Symphonie von optischen und Tast-Erlebnissen, die
jedem Unbefangenen sich unmittelbar darbieten. Ein
silbergrauer Velours-Fußboden, ein handgewebter
Vorhang, der warme Überzug der Polstermöbel, der
ruhige, mattgelbe Ton der Wand, die lebende Pflanze
im Gegenspiel zum glattgeformten Stahlrohr, das
hundertfach die Sonne und die Farben des Raumes
reflektiert: — das ergibt Raum-Erlebnisse, die nur
unsere Zeit hervorbringen konnte, in der die Aus-
wertung der technischen Qualitäten des Materials
und die klare Gestaltung seiner ästhetischen Möglich-
keiten sich zu einer Synthese vereinen. . paul meller.
 
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