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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 44.1933

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Hardenberg, Kuno Ferdinand von: Hausflur, Wohnungsflur
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https://doi.org/10.11588/diglit.10797#0026

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HAUSFLUR — WOHNUNGSFLUR

Der Hausflur ist eine bewußte Ankündigung oder
ein unbewußter Verräter. Er kann Präludium
mit Leitmotiven sein, Einleitung und Vorrede mit ge-
drechselten Floskeln, sachliche Mitteilung von Haus-
gepflogenheiten, je nach dem Geschmack der Bewoh-
ner. Er kann Bejahung oder Verneinung, Zweck oder
Laune sein, denn wie alle Räume hat er seine Sprache,
die der Eingeweihte deutlich vernimmt. Diese Sprache
ist hier kühl, feierlich, anspruchsvoll, pomphaft, ge-
spreizt, zurückhaltend, dort dialektgefärbt, sorglos,
gemütlich, arm, nüchtern oder streng sachlich. Sie
kann freundlich gastlich klingen, aber auch grob und
rücksichtslos.

In einem Hausflur tönt's aus unsichtbarem La-
kaienmunde respektvoll: Euer Gnaden zu dienen, wen
habe ich die Ehre zu melden, in einem anderen: Scher
dich fort, erbärmlicher Störenfried!

Auch hat jedes Haus seine Atmosphäre, ein selt-
sames Arom von lähmenden oder anregenden Duft-
stoffen, das sich fest in unser Unterbewußtsein ein-
prägt. Begegnen wir gleichen oder ähnlichen Duft-
komponenten in einem anderen Hausflur, so erwachen

in uns sofort Vorstellungen von Menschen, Gesprächen
und Hausrat oft längst vergangener Lebensphasen
mit voller Deutlichkeit. Kindertage, Jugendfreuden,
Bitternisse und Enttäuschungen werden auf zau-
berische Weise lebendig, dank der zum Symbol ge-
wordenen Hausflurarome. Aus den reichen Erfah-
rungen, die wir in der Heimpsychologie mit Sprach-
und Aromerlebnissen gewonnen haben, hat nun
unsere kluge Raumkunst bewußt den modernen
Typus des Hausflurs entwickelt.

Dieser paradiert nicht mehr geschwätzig, wie in
überlebten Tagen, mit angeblichen Kunstinteressen
der Hausbewohner, noch weiht er uns indiskret und
unliebsam in deren persönliche, uns nicht berührende
Verhältnisse ein. Gute Beleuchtung und gute Ven-
tilation als Wichtigstes verlangend, will er nur be-
queme Ablage und Vorbereitungsraum für den Be-
sucher sein, sauber und würdig erscheinen zu können.

Das ist ein wohntechnischer Fortschritt, der unserer
Zeit entspricht, die auf Einfachheit und rasche Um-
gangsformen in unserem verwickelten und überstürz-
ten Lebenstempo bedacht ist.. kuno oraf Hardenberg.
 
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