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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 44.1933

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Michel, Wilhelm: Flächenbelebung
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https://doi.org/10.11588/diglit.10797#0031

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INNEN-DEKORATION

17

FLÄCHENBELEBUNG. Was wir heute an Orna-
ment ablehnen, ist der ernstlose, der spielerisch-
kleinliche Linienzauber, der sich in leerem Augenreiz
erschöpft und weder über den Urheber etwas Kern-
haftes aussagt noch dem Betrachter etwas Hörens-
wertes mitteilt. Dagegen wird neuerdings wieder
Raum für Flächen-Belebung anderer Art. Eine
Zeitlang gab es im Möbelgewerbe eine betonte, aus-
schließliche Vorliebe für die künstlichen, syntheti-
schen Werkstoffe, die in so großer Zahl auf den
Markt gekommen sind. Sie werden wohl auch in Zu-
kunft ob ihrer Brauchbarkeit in ausgiebiger Verwen-
dung bleiben. Aber es ist anzunehmen, daß daneben
der Geschmack für das gewachsene Material und da-
mit für die Holzmaserung, diese beglückende Lebens-
spur in den Flächen der Möbelstücke, wieder stärker
vordringt. Was das schöne Okume-Holz in dem oben
abgebildeten Schrank an wachstümlichen Formen
zeigt, ist eben doch ein herrliches Ereignis von Flam-
menformen, geradezu von Nordlichtformen, die mit
gewellten Scheinen ausstrahlen und das ganze Ge-
bilde veredelnd mitgestalten.

Es ist vielleicht nicht unergiebig, zu fragen, was
die erwähnte Vorliebe für die synthetischen Werk-

stoffe, in denen nirgends die wachstümliche Lebens-
spur hervortritt, geistesgeschichtlich zu bedeuten hat.
Sie steht offenbar in engem Zusammenhang mit der
Vorliebe für rein technizistische Gestaltung. Sie steht
in Zusammenhang mit dem ausschließlichen Ratio-
nalismus der Gegenwart. Dem Menschen dieser Zeit
liegt nur an seinem Geist, an seiner Zweckfrage, an
seiner absoluten Mächtigkeit über alle Dinge seines
Arbeitsbereiches. Er strebt das ganze Leben eindeutig
rational zu fassen und zu beherrschen — und deshalb
ist ihm der gewachsene, organische Werkstoff in ge-
wissem Sinne anstößig. Die Lebensspur im gewachse-
nen Holz, die Maserung, ist ihm unbehaglich als Hin-
weis auf einen Daseinsbereich, den er nicht in voller
Überlegenheit beherrscht. Der synthetische Werkstoff,
der keinerlei Erinnerung an Jahresringe und orga-
nische Struktur aufweist, ist reines Erzeugnis seines
Wollens, Trachtens und Könnens. Deshalb gibt er
ihm den Vorzug — aber deshalb bedeutet die neue
Aufschließung des Sinnes auch für den organischen
Werkstoff ein gewisses Weiterkommen, ein Durch-
ringen zu einer neuen Lebensfreundschaft, die von
gewandelten Voraussetzungen aus die geschöpflichen
Beziehungen des Menschengeistes sicherstellt, w. M.
 
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