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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 44.1933

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Ortega y Gassett, José: Meditationen über den Rahmen
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https://doi.org/10.11588/diglit.10797#0133

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INNEN-DEKO RATION

119

PAUL GRIESSER »-WOHNRAUM« KAUKAS. NUSSBAUM. BEZÜGE ENTW. GRIF.SSER: SOFA KOT, SESSEL BLAU, SILBERGRAU, SCHWARZ, ROT

MEDITATION ÜBER DEN RAHMEN

Anstatt den Blick anzuziehen, begnügt der Rah-
. men sich damit, ihn zu sammeln und auf das
Bild zu lenken. Aber dies ist nicht sein Hauptgeschäft.

Das Gemälde, wie die Poesie, wie die Musik, wie
jedes Kunstwerk ist eine Tür ins Irreale, die sich
durch Zauberei in unserer wirklichen Umwelt öffnet.

Betrachte ich diese graue Zimmerwand, so bin ich
gezwungenermaßen den Lebensnützlichkeiten zuge-
wandt. Betrachte ich das Gemälde, so trete ich in ein
imaginäres Reich ein und nehme eine Haltung reiner
Kontemplation an. Wand und Bild also sind zwei
gegensätzliche Welten und ohne Verbindung mitein-
ander. Vom Wirklichen hinüber ins Nichtwirkliche
springt der Geist wie aus dem Wachen in den Traum.

Das Kunstwerk ist eine imaginäre Insel, die rings
von Wirklichkeit umbrandet ist. Damit sie entstehe,

ist es notwendig, daß der ästhetische Gegenstand gegen
das Medium des Lebens isoliert wird. Von der Erde
unter unseren Füßen können wir zu der gemalten
Erde auf der Leinwand nicht Schritt für Schritt hin-
übergehen. Mehr noch: Unbestimmtheit der Grenzen
zwischen Lebens- und Kunstdingen stört unseren
ästhetischen Genuß. Das Gemälde ohne Rahmen,
dessen Grenzen gegen die nützlichen, kunstfremden
Objekte ringsum nicht deutlich markiert sind, ver-
liert seine Anmut und Verführungskraft. Es ist nötig,
daß die reale Wand auf einmal und übergangslos zu
Ende ist, daß wir uns auf einmal und übergangslos
auf dem irrealen Gebiet des Kunstwerks befinden.
Ein Isolator ist nötig; dieser Isolator ist der Rahmen.

Um zwei Gegenstände gegeneinander zu isolieren,
bedarf es eines dritten, der weder der eine noch der
 
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