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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 44.1933

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Michel, Wilhelm: Der Platz am Kamin
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https://doi.org/10.11588/diglit.10797#0168

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154

INN EN-DEKORATION

DER PLATZ AM KAMIN

Die frühesten Behausungsgefühle des Menschen
sammeln sich um den Ort des Feuers, um den
Herd. Macht über das Feuer ist der erste Schritt zur
eigentlichen Menschwerdung. Das Seßhaftwerden,
der Übergang vom Nomadendasein zum Ackerbau
ist der zweite. Beide faßt der Herd als die feste
Feuerstätte zusammen. Das Feuer bezwungen und
behaust — das gibt den Kern des Heims, und daher ist
im großen Gedächtnis der Menschheit, in der Sprache,
bis auf den heutigen Tag der Herd festgehalten als
das Sinnbild des ganzen Hauses. Herd ist Heimstätte
und umfriedeter Bannbezirk, Herd ist Heiligtum. Was
ist der Altar anderes als ein kultischer Herd ? Alte
Götter sind häufig Herdgötter. Lang ehe Zeus vom
Himmel her seine olympischen, geistgeborenen Ge-
setze gibt, walten die guten Dämonen des Herdes im
häuslichen Kreis. Es sind in der Frühzeit weibliche,
mütterliche Gottheiten, zum Zeichen, daß das weib-
liche Element es war, das den ersten Frieden des
Heims und damit die früheste Kultur schuf.

Aber müssen wir in alte Zeiten zurückgehen, um
den Zauber des Herdes zu verstehen? Der Herd ist
ein »Urding«, eine mit dem Menschlichen von Grund

aus zusammenhängende Gestaltung - und als ein
solches Urding redet er heute noch jeden empfäng-
lichen Menschen in alter Deutlichkeit an. Der Herd
der russischen Bauernhütte, im bayrischen Bauern-
hof wird heute noch geehrt und hochgehalten. Alles
Leben im Hause drängt zu ihm hin als zu der Stätte,
wo das Hegende, Schirmende und Freundliche des
Hauses seinen eigentlichen Sitz hat. Der Herd ist da
vielfach zum weitläufigen, gemauerten Ofen gewor-
den, der den Stein mit Hitze lädt, um sie dann ge-
mächlich und sparsam auszustrahlen. Er ist ander-
wärts - wie im norwegischen »Peis« - zum Kamin
geworden, der das Ereignis »Feuer« sichtbar in ur-
sprünglicher Gestalt zeigt und den Menschen zum
Schauen und zum stillen Träumen bringt. »Träume-
reien am Kamin« heißt eine liebenswerte deutsche
Märchensammlung. Gibt es etwas Schöneres, als in
kalter Winterzeit dem Flammenspiel im Kamin zu-
zusehen ? Da dämpfen sich alle Erregungen, Erinne-
rungen steigen auf, Gedanken spinnen sich an. Denn
die Seele, die selbst elementarischer Art ist, findet im
Beschauen des feurigen Elements eine liebe Beschäf-
tigung, eine Ansprache und eine Zwiesprache. Ein
 
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