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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 44.1933

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Herding, Udi: Weekend von Berlin...
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https://doi.org/10.11588/diglit.10797#0296

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282

INN EN-DEKORATION

WOCHENENDHAUS AM WANNSEK

BLICK INS INNERE DES HAUSES

WEEKEND VON BERLIN

VON UD1 HERDING

Wäre es nicht eine bekannte Tatsache, daß die
Weekend-Idee in England aufsprang und von
hier über den Kanal weitergedrungen ist, wirklich,
man möchte glauben, der Berliner habe sie »erfun-
den«. Vielleicht ist sie kaum irgendwo auf so frucht-
baren Boden gefallen, wie auf dem so viel und mit
Unrecht geschmähten märkischen »Sand«. Berlin war
für ihre Verwirklichung prädestiniert.

Aus zweierlei Gründen. Es ist die Großstadt mit
der gottbegnadet schönen Umgebung, fast greifbar
nah. Umschlungen von dem Band seiner Havelseen,
gesäumt von Sand und Strand, eingesponnen in
Wiesen und Wald - -

Und es ist die Stadt des Tempos, der Arbeit, des
Hergeben-Müssens aller Energie, die Stadt, die den
Menschen unbarmherzig in ihr Räderwerk reißt,
ihn hämmert und schleudert und weiterstößt, einge-
spannt in ihren jagenden Rhythmus, unweigerlich und
unabänderlich, mit allen seinen Kräften, seinem
Denken und seinem Tun - fünf, sechs Tage lang. -
Aber dann, am sechsten endlich, gibt sie ihn frei . . .
Dann verwandelt sie ihr Gesicht, diese Stadt. Dann
hat sie die magische Macht über ihre Menschen-
millionen verloren.. . An eine Zauberformel: »Week-
end« — Wochenende! . . .

Weekend - das sind: azurblaue, sonnenflim-
mernde Seen und Gestade - denn Wochenende und
Wasser sind unzertrennlich! - Segelboote, die wie
weiße Fahnen gegen den Himmel stehn — Motor-
jollen, die »überschäumend« vor Übermut ihre Spur
durch die Wellen ziehn - kleine, verwunschene,
lachende Häuschen mit bunten Blumenrabatten,
weißen Lackmöbeln und lustigen Kaffeedecken, —
Menschen mit heiteren Gesichtern und braunen Kör-
pern, verwandelt, sich selbst wiedergegeben, frei vom

Alltag und durchpulst von neuem Lebenswillen . . .

Weekend - das ist noch so unendlich viel: ein
Kahn, der mit eingezogenen Rudern im Schilfe
träumt, während von irgendwoher eine Melodie leise
verklingt - ein Gartenkleid - eine Lieblingsblume,
die zärtlich gepflegt werden will - ein Baden in Licht
und Luft und Sonne - eine Veranda, die das Abend-
glühen vergoldet und mit tiefem Frieden übergießt -
ein Liegestuhl, ein Träumen in Gottes schöne Unend-
lichkeit hinein, wieder geborgen bei Mutter Erde . . .

Weekend: das ist eine andere Welt, eine schönere,
bessere, leichtere, eine Welt, in der Sorgen und Lasten
ihre Härten verlieren und ungeahnte, kleine, miß-
achtete Freuden eine gewaltige und beglückende
Bedeutung erlangen . . . Weekend ist die Sehnsucht,
die der Mensch durch seine Arbeit trägt, eine Woche
lang - und ihre Erfüllung. Ist sein Ansporn und der
Kräftequell, aus dem er schöpft . . .

Und darum, weil er all das weiß und erkannte,
sind diese »Ferien vom Ich«, und dauerten sie auch
nur einen, oder zweimal einen, kurzen, beglückend
langen Tag, ihm so sehr wichtig und aus seinem
Lebensplan nicht fortzudenken. Der Gipfel seiner
Sehnsucht: das eigene, kleine Haus am Wasser, eine
Zuflucht, ein Märchen, ein Stückchen Paradies . . .

Vielleicht spricht manchmal einer von dem un-
praktischen Wert eines solchen Weekenddomizils,
von der dürftigen Gelegenheit es auszunützen, von
der viel zu geringen Zeit, von kurzen und vielleicht
verregneten Sommern und langen, strengen Wintern,
und sonst noch von mancherlei, was richtig klingt
und vernünftig und klar, und doch nur verrät, daß
einer das Gnadengeschenk an die Menschheit, »Week-
end« genannt, noch nicht zutiefst erfaßte: man mißt
nicht ein großes Glück mit - einer kleinen Elle . . .
 
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