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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 44.1933

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Ritter, Heinrich: Ein Gespräch über neue Wohnungskunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.10797#0333

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EIN GESPRÄCH ÜBER NEUE WOHNUNGSKUNST

Besucher: Sieh da, mit Lektüre beschäftigt!
Wenn ich richtig sehe, mit der »Innen-Dekoration«?

Dame des Hauses: Gewiß. Durchgeschaut habe
ich das Heft zwar schon mehrmals, aber ich nehme
es mir immer wieder einmal vor. Wissen Sie, Bilder
haben das an sich, daß man sie jedesmal mit neuen
Gedanken ansieht. Sie sind bei einmaligem Ansehen
noch lange nicht erschöpft.

Besucher: Sicherlich. Aber mich interessiert da
eine Frage, die ich Ihnen gern stellen möchte.

Dame des Hauses: Bitte sehr.

Besucher: Sie sind doch komplett eingerichtet,
Sie haben sogar ein besonders fein durchgeformtes
Heim. Warum halten Sie trotzdem diese Zeitschrift
für Wohnungskunst ? Es liegt mir an einer bestimm-
ten, präzisen Antwort.

Dame des Hauses: Die können Sie haben. Da
muß ich wohl zuerst sagen, daß ich eine begeisterte
Liebhaberin schöner Räume bin. Nicht als ob ich das
alles für mich haben wollte, was ich in diesen
schönen Abbildungen sehe. Aber ich freue mich über
alles Schöne, auch wenn es mir nicht gehört. Selbst-
loses Wohlgefallen, wenn Sie wollen. Nur vom
Besseren kann man lernen!

Besucher: Wenn ich Sie recht verstehe, geht es
Ihnen wie einem Sammler; der sieht auch brennend
gern Dinge, die zu seinem Interessengebiet gehören,
und freut sich an ihnen, auch wenn jede Wahr-
scheinlichkeit fehlt, daß er sie je erwerben wird.

Dame des Hauses: Ganz recht. Und dann
kommt ein zweiter Punkt. So ganz selbstlos ist mein
Wohlgefallen am Inhalt der schönen Zeitschrift für
Wohnungskunst doch nicht. Sie sagen, daß ich ein
leidlich gut ausgestattetes Heim habe. Aber ich ver-
liere nie aus dem Auge, daß doch einmal eine Ver-
änderung oder eine Auffrischung der Einrichtung
nötig werden kann. Wenn das eintritt — wie jetzt
zum Beispiel, wo ich an die Einrichtung von zwei
Zimmern für meine herangewachsenen Kinder
denken muß —, so bin ich durch die »Innen-Deko-
ration« mit allen möglichen Erfahrungen und guten
Vorbildern ausgerüstet. Man denkt heute anders als
vor zehn Jahren, man wohnt auch anders. Warum
soll ich dem geklärten Zeitstil nicht folgen und ver-
suchen, einige meiner Räume geschmackvoller und
schöner zur Geltung zu bringen ? Nun, und so freue
ich mich über jedes neue Heft dieser Zeitschrift, und
ich staune, das kann ich Ihnen sagen, ehrlich jedes-
mal über die vielen neuen Einfälle und Abwand-
lungen, die ich bei so oft gelösten gleichen Auf-
gaben, die Künstler immer wieder hervorbringen,
sehe. Ich meine also: Die ständige Lektüre dieser
schönen Zeitschrift ist mir eine Quelle von Wissen
und allgemeiner Geschmacksbildung, die ich, ob ich
will oder nicht, aufs höchste schätzen muß. Ob ich
an die Anschaffung eines Möbelstückes oder Tep-

pichs denken muß oder an den Ankauf eines Satzes
von Gläsern oder eines neuen Beleuchtungskörpers
oder auch nur von Porzellan, Keramik und ähn-
lichem — ich habe die Gewißheit, daß ich nur solche
Dinge kaufen werde, die sich im Gebrauch und Um-
gang auch bewähren. Ich kann meine Wünsche im
Geschäftshaus klar ausdrücken, weil ich weiß, was
ich will, und um so aufmerksamer bedient werde.
Ich bringe den Geschäftsmann, wenn ich die er-
wähnten Dinge oder auch Tapeten, Gardinen, Bezugs-
stoffe usw. brauche, nicht in die Lage, mir Dinge
aufreden zu müssen, die mir nachher doch nicht
gefallen. Man tut sich und dem Verkäufer den besten
Dienst, wenn man ihm bestimmte klare Wünsche
unterbreitet.

Besucher: Dank für dieses schöne Bekenntnis!
Sehen Sie, so stelle ich mir die Teilnahme der Frauen
an der Wohnkultur und an der Kultur überhaupt
vor! Es ist noch gar nicht lange her, da sprach ich
ebenfalls mit einer Dame über den gleichen Punkt.
Sie blieb auf dem Standpunkt, wer ein fertiges Heim
habe, könne auch ohne Zeitschrift auskommen. Da
mußte ich ihr ein Erlebnis entgegenhalten, das ich
einige Tage vorher gehabt hatte. Ich war bei einem
jungen Ehepaar zu Gast. Die jungen Leute hatten
sich gerade ihr Nest gebaut, einfach, schlicht, nett,
bescheiden. Ich kam auf die »Innen-Dekoration« zu
sprechen, weil ich gerade ein neues Heft bei mir hatte,
das eine Sonderveröffentlichung über Kleinwoh-
nungen enthielt. Ich zeigte es ihnen — und da hätten
Sie die Begeisterung sehen sollen! Namentlich die
junge Frau war von den zahlreichen Bildern so ent-
zückt, daß sie den Entschluß faßte: Gleich am näch-
sten Tag wird ein Abonnement genommen! »Wenn
auch unsere Mittel bescheiden sind«, sagte sie, »so
liegt uns beiden doch einzig und allein an einem
schönen, friedlichen, freundlichen Heim. Und dieses
Heft ist ja eine Goldgrube von Anregungen für nette
Anordnungen von vorhandenen Möbeln, für Neu-
anschaffung von Vasen, Leuchtern, Stoffen, für reiz-
volle Fenster- und Türbekleidungen und Dutzende
von anderen Dingen.«

Dame des Hauses: Das ist in der Tat schön.
Ich will Ihnen nun auch zum Schluß gestehen, auf
welchem allgemeineren Gedanken das, was ich vor-
hin sagte, beruht. Von Kultur reden — das tut jeder.
Aber einmal sollte sich jeder Mensch klarmachen,
daß dieses große, ferne Ding, das man »Kultur« oder
gar »Volkskultur« nennt, für jeden im eigenen
Lebensbereich, im Heim, in der Bildung des ei-
genen Geschmacks anfängt. »Charity begins at
home«, sagt der Engländer. Ich sage: Kultur beginnt
zu Hause! — und wenn jeder sich das zu Herzen
nimmt, dann haben wir bald eine Grundlage, auf der
sich der stolze Bau einer von der Allgemeinheit ge-
tragenen Volkskultur erheben kann. Heinrich ritter
 
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