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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 45.1934

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Mayreder, Friedrich: Nationale Baukunst?
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https://doi.org/10.11588/diglit.10796#0366

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350

INNEN-DE KORATI ON

ARCHITEKTEN BR1NKMAN UND VAN DER VLUGT

HAUS SONNEVELD-ROTTERDAM »SÜDOST-ECKE«

NATIONALE BAUKUNST?

Die hier vorgeführten Bilder neuzeitlichen hollän-
dischen Wohnbaues werfen eine oft diskutierte
Frage von neuem auf: Sind derartige extreme Äuße-
rungen eines von aller Überlieferung bewußt losge-
lösten Gestaltungswillens nicht am Ende eine Art
architektonischen Esperantos und so wie dieses
scheinbar überall beheimatet und damit in Wirklich-
keit nirgends? Oder läßt auch diese kühle, bisweilen
fast abstrakt anmutende Formenwelt Raum für jene,
dem Boden und dem Blute entspringenden Unwäg-
barkeiten, die in ihrer Gesamtheit den nationalen
Charakter eines Bauwerkes ausmachen?

Damit sind wir schon einem der Gründe nahege-
rückt, die viele Menschen in derlei Bauten nichts an-
deres sehen lassen, als die mit kaltem Literaten-Intel-
lekt gewollte, ja schonungslos erzwungene architek-
tonische Einebnung Europas, mehr noch: der Welt.

Der Grund ist, daß wir diesen Dingen zu nahe ste-
hen. Jene Unwägbarkeiten sind dem Empfinden des
Beschauers um so schwerer begreiflich, seinem Ver-
stände um so schwerer faßbar, je näher sie ihm zeit-
lich und damit auch seelisch stehen. Es kann füglich
behauptet werden, daß es unseren Nachfahren mit

den Werken der Gegenwart kaum viel anders ergehen
wird, als es uns mit den Denkmälern vergangener
Zeitläufte ergeht. Sie werden sich bei der Betrachtung
der über viele Länder verstreuten Werke unserer
Tage des ihnen allen Gemeinsamen ebenso bewußt
werden wie des Trennenden, des jedem Lande Be-
sonderen. Es sei in diesem Zusammenhang etwa der
Gotik gedacht. Ihre formalen Grundlagen sind in
Deutschland und Frankreich zunächst dieselben. Und
dennoch wird jeder, der offenen Auges die Zeugen
dieses Zeitalters betrachtet, ihnen das Heimatland
mit Leichtigkeit von der Stirne ablesen.

Bei allem Abstand und aller Bescheidenheit: Es
gibt Tatsachen, die notwendig und verbindlich sind,
der Vergangenheit ebenso wie der Gegenwart. Kein
Mensch kann aus seiner Haut, er mag sich mühen,
wie er will. Und daß die sogenannten historischen
»Stile« beliebig erlernbar sind wie etwa eine fremde
Sprache, das war bekanntlich auf dem Gebiete der
Baukunst der unheilvolle Irrtum jenes Zeitabschnit-
tes, der mit der Französischen Revolution begann und
vor unseren Augen zu Ende geht. Damit sind wir
beim zweiten Grunde angelangt, der bei vielen Zeit-
 
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