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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 46.1935

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Hardenberg, Kuno Ferdinand von: Gedanken am Kamin
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https://doi.org/10.11588/diglit.10947#0025

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INNEN-DEKORATION

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FRITZ GROSS »SITZMÖBEL VOR DEM KAMIN« BEZÜGE: NATURBELASSENES SCHWEINSLEDER

GEDANKEN AM KAMIN

Das Feuer ist ohne Zweifel der älteste Hausge-
nosse des Menschen. Während das Wasser vor
kaum hundert Jahren als zweiter guter Hausgeist
seinen Einzug in die Wohnungen gehalten hat, findet
sich die Feuerstätte schon in den Höhlen, die einst
Troglodytengeschlechtern Obdach und Unterkunft
gewährten. Eine Menschheit ohne Feuer, das ihr
Wärme gab und ihr die Zubereitung von Speisen er-
möglichte, ist uns kaum vorstellbar, und doch hat
sicherlich ein primitiveres Geschlecht unserer Art, das
um die Herstellung erster Werkzeugformen rang,
unübersehbare Zeiträume ohne das vielleicht segens-
reichste der Elemente durchkämpfen müssen. Wie
lange wird es gedauert haben, bis die unheimlichen
Gesetze eines Waldbrandes, die schauerlichen Er-
scheinungen eines Vulkanausbruches mit seinen alles
vernichtenden Gluten so weit verstanden wurden, daß
sich männliche Kühnheit getraute, aus ihnen irgend-
einen Vorteil, einen kleinen Nutzen für das Leben der
Sippe zu ziehen? Wir wissen nichts darüber, wir
wissen nur, daß nach einem alten Mythos die Gabe
des Feuerbrandes, die ein Heros den Menschen
brachte, als ein Raub an den Göttern angesehen und
mit grausamen Strafen an dem Frevler gesühnt
wurde. Ein Glück bei dieser Tragödie, daß die Götter
nicht auch noch die Prometheustat rückgängig mach-
ten und es bei der Bestrafung des vermessenen Wohl-
täters der Menschheit bewenden ließen - was wären

1935. I. 3

wir sonst? Jedenfalls verdanken wir der damals ge-
übten Nachsicht unsere ganze Kultur, jede Entwick-
lung zu höheren Daseinsformen und jeden techni-
schen Fortschritt, und das ist ein Dankesgefühl, das
jeden nachdenklichen Menschen immer wieder er-
füllt, wenn er sich an einem rauhen Winterabend be-
haglich am offenen Kamin niederläßt und der ge-
heimnisvollen Ursprache der knisternden, prasseln-
den und rauschenden Flammen hingibt. Was lernt
man da nicht alles begreifen, was wird da nicht plötz-
lich alles bildhaft und sinnvoll ? Längst ungeglaubte
Feuergötter werden wieder glaubbar und lebendig,
predigen ihre Verdienste und heischen Anbetung,
Feuergeister regen die Gedanken an, mit ihnen farbig
zu lodern und zu tanzen, und im Behagen an Wär-
mung, buntem Schein und spielendem Gelohe löst
man sich auf in einen glücklichen Zustand elemen-
tarer Allverbundenheit. Aber auch noch andere Zau-
berkünste versteht das Kaminfeuer, zumal wenn sich
um seine magisch anziehende Stätte ein Kreis gleich-
gestimmter Seelen vereint. Dann werden alte Sagen
lebendig, längst vergessene Geschichten wachen auf,
Märchen und wundersame Erlebnisse steigen aus den
dunklen Hintergründen unseres Seins empor, und aus
Geben und Nehmen werden Stunden köstlicher All-
tagsentrückung. Ja, das Feuer macht Erzähler, macht
selbst nüchterne Köpfe zu Phantasten, und wenn am
Kamin Jagd- und Abenteuergeschichten besonders
 
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