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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 46.1935

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Hardenberg, Kuno Ferdinand von: Vom Kitsch: Ursprung und Wandlung des Begriffs "süsser" und "saurer" Kitsch, Kitsch in Kunstgewerbe und Hausrat, Bekämpfung der "Hausgreuel"
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https://doi.org/10.11588/diglit.10947#0219

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VOM KITSCH

URSPRUNG UND WANDLUNG DES BEGRIFFS - »SÜSSER« UND »SAURER« KITSCH
KITSCH IN KUNSTGEWERBE UND HAUSRAT - BEKÄMPFUNG DER »HAUSGREUEL«

Das Wort Kitsch, das immer wieder Gegenstand
lebhafter Erörterungen ist, stammt aus dem
Englischen und gilt als Verdeutschung des Wortes
sketch - Skizze. Wenn der Münchner Künstler um
1880 herum in Geldnöten war, dann pflegte er zum
Verkaufe seiner Skizzen zu billigen Preisen zu schrei-
ten, dann »verkitschte« er, was sich irgendwie los-
schlagen ließ, und so bürgerte sich das Wort zunächst
in Künstlerkreisen ein. Zu dieser Zeit lag der Sinnes-
akzent auf dem Begriff der Verkäuflichkeit. Was ver-
kitscht wurde, brauchte nicht unbedingt schlechter
Qualität zu sein, manche gute Skizze kam neben
mancher weniger wertvollen in den »Sketchhandel«,
wenn die Not an den Künstler herantrat, und wann
hätte sie das nicht getan ? Bald kamen dann Schlau-
köpfe auf die Idee, den Sketchhandel zu industriali-
sieren und das, was bisher aus Not geschehen war,
rein geschäftlich zu betreiben. Man begann sozusagen
Kitsch auf dem laufenden Band herzustellen. Es ent-
standen eigene Kitschwerkstätten, in denen »gängige«,
d. h. gegenständlich oder technisch, dem unbewan-

derten Kunstliebhaber reizvolle Bilder in Massen her-
gestellt wurden. Auf zwanzig und mehr Staffeleien
wurden von gewiegten »Kitschiers« an einem Vor-
mittage zwanzig und mehr Ansichten vom Königssee
hergestellt, indem sie, an der Front der Staffeleien hin
und her gehend, jeden Pinselstrich mit der gleichen
Farbenmischung auf die zwanzig aufgestellten Lein-
wandflächen übertrugen.

Das Geschäft ging prächtig, wenn man auch heute
nicht mehr begreift, daß es Menschen gegeben hat,
die solchen Greuel kauften. Ohnmächtig sahen alle
echten Künstler und Kunstkenner diesem Treiben zu.
Das einzige, was sie zu tun vermochten, war, die
ganze Verachtung in das Wort »Kitsch« und »kitschig«
zu ergießen.

So verstand man schon zu Beginn des zwanzigsten
Jahrhunderts allgemein unter Kitsch nicht mehr
schlechthin etwas »Verkäufliches«, sondern »verächt-
liche Verkaufsware«. Das Wort kitschig war zum
künstlerischen Todesurteil geworden, und der Umgang
mit einem »Kitschier« galt mit Recht als unmöglich.

1935. VI. 4
 
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