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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 46.1935

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Menschenbildung durch Schönheit
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https://doi.org/10.11588/diglit.10947#0295

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J. GROAO »ERKERPLATZ« BODEN : GRAU, SOFA: ZITRONENGELBE SEIDE, SITZMÖBEL: WEISS UND GRAU

MENSCHENBILDUNG DURCH SCHÖNHEIT

ir sind heute achtsam auf die »plastische Kraft«,
die jedem Menschen innewohnt. Wir wissen,
daß gestaltende Einflüsse von uns ausgehen, die
unsrer Umwelt, vor allem unsern Wohnräumen, ein
bestimmtes Gepräge geben. Dies ist das Gepräge
unsres Wesens. Wie der Mensch, so sein Heim. -
Aber das ist nicht alles. Wäre das Heim nichts weiter
als eine Art Selbstdarstellung des Bewohners, nur
rezeptiv für sein »Wesen« (das sich ja immer gleich-
bleibt), dann hätte es keinen Sinn, die Sache des
schönen, gepflegten Heims zu einer Sache der Ver-
kündigung, der erzieherischen Einwirkung zu ma-
chen. Dies ist nur deshalb möglich, weil es der Mensch
in der Hand hat, sein Heim nach bewußten Gesichts-
punkten zu formen. Er vermag es so zu gestalten, daß
es wohltuende und formende, ausgleichende und ver-
edelnde Dauerwirkungen auf ihn selbst zurückstrahlt.
- Ein schönes Gerät ist nicht nur ein Stück sinnlichen
Wohllauts in Farben und Formen. Es ist auch ein
Stück Liebe und ein Stück Sorgfalt, das sich dem Be-
wohner stumm und doch seelenhaft zuwendet; und
insofern geht von einem schönen Gerät, von einer
fein ineinanderschwingenden Farbenharmonie ein
ständig »bildender«, versöhnender, erhöhender Ein-

1935. ix . 1

fluß aus. Man weiß, daß jeder Mensch in seinem Ge-
baren den Geist des Lebenskreises widerspiegelt, der
ihn zu Hause umgibt. Sind in diesem häuslichen Le-
benskreise böse, negative Menschen, gibt es daselbst
Haß oder Rauheit, dann wird unfehlbar das Wesen
des Bewohners davon gefärbt. Das gleiche gilt für die
Dingwelt im Heim. Wenn mein Hausrat mich an-
dauernd grob und achtlos behandelt, werden das die
Mitmenschen allmählich an mir selber merken. Da-
gegen wird wirkliche Feinheit der Farben und For-
men, in denen ich lebe, das Wie meines Gebarens
im Sinne der Harmonie beeinflussen. Sieht man doch
viele Menschen sogar die »Form« der Landschaft an-
nehmen, in der sie leben! Wieviel mehr gilt das für
die Form des Heims! Es hängt nur von dem Acht-
samkeitsgrad ab, mit dem wir eine schöne Umgebung
auch seelisch aufnehmen, ob wir von ihr einen nicht
nur sinnlichen, sondern auch gemüthaften und gei-
stesbildenden Einfluß erfahren. »Ein schönes Gerät
erweckt Freude am Dasein«, sagt ein chinesischer
Spruch. Wie könnte es anders sein, wofern nur die
seelische Empfänglichkeit gegeben ist dafür, daß
künstlerische Schönheit allein der inwendigen Lebens-
freude als ein tief verwandtes Element entspringt? —
 
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