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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 46.1935

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W. F.: Kunstwerk, Gerät und Apparat
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https://doi.org/10.11588/diglit.10947#0313

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INNEN-DEKO RATION

301

KUNSTWERK, GERÄT UND APPARAT

1 ^ in Möbelstück hat drei Möglichkeiten der Gestal-
1* tung: es kann Kunstwerk oder Gerät oder Apparat
sein. Als Kunstwerk sucht es ein ausdrucktragendes
Formgebilde von Eigenbedeutung zu werden. Als
Gerät fügt es sich schlicht dem Lebenszusammen-
hang des Menschen ein und erfüllt hier eine freund-
lich dienende Aufgabe. Als Apparat objektiviert es
sich im Sinne der abgelösten Einzelfunktion, indem
es von einem menschlichen Lebenszusammenhang
keine Kenntnis nimmt, sondern mit einer Reihe von
Einzelbedürfnissen rechnet, die sachlich konstatiert
werden. Diesen verschiedenen Gestaltungsweisen des
Möbels könnte man soziologische Entsprechungen
zur Seite stellen: Das Möbel als Kunstwerk entspricht
dem Individualismus, als Gerät entspricht es der
lebendigen Gemeinschaft, als Apparat dem Kollekti-
vismus. Das Möbel als Kunstwerk antwortet als Ding-
Persönlichkeit dem vorwiegend persönlichen Men-
schen. Das Möbel als Gerät antwortet als dienendes
Glied dem eingeordneten Menschen, der sich vor-
wiegend in eben dieser Einordnung erlebt. Das Möbel
als Apparat antwortet dem nach sachlichen, nicht

menschlichen Gesichtspunkten verherdeten Men-
schen, der sich selbst nicht als lebendige »Seele«, son-
dern als eine Summe vereinzelter psychischer Ge-
gebenheiten begreift. — Es wird von hier aus klar, daß
sich in der Möbelgestaltung jeweils bedeutsame
geistesgeschichtliche Inhalte darstellen müssen. Für
uns Heutige ist besonders wichtig, daß die apparat-
hafte Fassung des Hausrats in einem Gegensatz steht
zu jeder Weltanschauung, die den Menschen als ge-
schöpfliches Wesen ernst nimmt. Auf der andern
Seite ergibt sich, daß in unsrer Zeit, die den Einzel-
menschen auf seine Einfügung in die Gemeinschaft
verweist, die Erhebung des Möbelstücks zur abge-
schlossenen »Ding-Persönlichkeit« nicht die Zeit-
gunst für sich haben kann. Die uns zugehörige Ge-
staltungsweise des Möbels ist die des dienenden, auf
einen beseelten Zusammenhang ausgerichteten Ge-
rätes. Es behält seine Bezogenheit auf den lebendigen
Menschen, es pflegt natürliche Werkstoffe und ehrt die
Handarbeit. Aber es will im übrigen nichts für sich
als die Würde des Dienstes innerhalb eines Ganzen,
das es als den eigentlichen Wertträger anerkennt, w. f.

1935. IX. 3
 
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