Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 46.1935

DOI Artikel:
Michel, Wilhelm: Mensch und Gerät
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.10947#0322

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
MENSCH UND GERÄT

von wilhelm michel

Seit jeher haben in den einzelnen Kulturperioden keine Schnörkel im Auftreten und Sprechen des
bestimmte Beziehungen zwischen dem Hausrat Menschen. Keine Umwege, kein »Vortrag« des eig-
und der Menschenerscheinung des betreffenden Zeit- nen Wesens bei beiden, auch keine Selbstentschul-
abschnittes bestanden. Die Linienführung am Gerät digung, sondern ein gerades, mutiges Hervortreten,
entsprach stets weitgehend der Linienführung im das »keine Umstände macht«. Was die Kleidung
Gewand und selbst im Auftreten und Sprechen des anlangt, so sehen wir den heutigen Menschen über
zeitgenössischen Menschen. Das Prunkende, schon seine Tracht frei verfügen, je nach der beruflichen,
fast barock Überladene in spätrömischer Baukunst sportlichen oder gesellschaftlichen Anforderung,
und Gewerbeform hat seine genaue Entsprechung im Die Kleidung greift zum nächsten, sachlich ent-
pomphaften äußeren Auftreten des Römers der sprechendsten Ausdruck. Sie erkennt keine Verbind-
Kaiserzeit. Die schlanke Zierlichkeit und Innigkeit lichkeit überlieferter, starrer Typen an. Sie ist viel-
der gotischen Geräte wiederholt sich in der knappen seitig spezialisiert, das heißt auf die wechselnden
Tracht der Zeitgenossen, in der Feinheit ihrer Rede Augenblicke der Betätigung schmiegsam eingestellt,
und in der Seelenzartheit ihres Gemütslebens. Ge- Genau so stellt sich auch das Gerät überall unmittel-
bauschte, starre Gewänder und breite festliche Ent- bar und knapp zu seinem Dienst. Es spezialisiert sich
faltung des Renaissancemenschen begegnen sich mit in zahllosen Gestaltungen (wofür besonders die Ent-
ausladendem Formenreichtum in Baukunst und wicklung des Kleinmöbels bezeichnend ist). Es sucht
Handwerk. So gehen diese wechselseitigen Beziehun- seine Legitimation stets nur in der lebendigen Zü-
gen durch die Zeiten weiter, und am anziehendsten, Ordnung seiner Funktion zum heutigen Menschen,
weil überschaubarsten, stellen sie sich dar in der Ja, bei näherer Betrachtung stellt sich heraus, daß
Gegenwart. Mensch und Gerät von heute stehen zum erst dieses pflichttreue, leistungsstarke, lieber in
Beispiel in Beziehung durch einen gemeinsamen Kraftlinien als in Zierlinien sich bewegende Gerät
Formbegriff. Für beide gilt ein Formbegriff, der der Gegenwart in rechter Paßform zu dem steht, was
keinen objektiv festgelegten Kanon anerkennt, der wir seit langem schon den modernen Menschen
den bloß aufgesetzten Zierat ablehnt und nur auf nennen. In der Kleidung, im Sprechen, in der Lebens-
die Tüchtigkeit des Aufbaus und die Zuverlässigkeit bemeisterung hat er schon lange die Züge, die sein
der Leistung gerichtet ist. Keine Schnörkel am Gerät, Hausrat heute immer deutlicher aufweist. — w. m.

deutsche werkstätten - hellerau »teetisch und blumenkrippe« schleielack
 
Annotationen