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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 46.1935

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Michel, Wilhelm: Zum 75. Geburtstag Alexander Koch's
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https://doi.org/10.11588/diglit.10947#0391

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ZUM 75. GEBURTSTAG ALEXANDER KOCH'S

Alexander Koch begeht am 9. November dieses
jfjL Jahres seinen 75. Geburtstag.

Eines Mannes Leben hat seinen Bestand und Wert
nur in seinem Werk; und Werk bedeutet: Ausarbei-
tung der in ihm gegebenen Anlagen zu gemeinnützi-
gen Gestaltungen und Antrieben. Alexander Koch
hatte das Glück, daß die Grundanlagen seines Wesens
- eine einzigartige Empfindung für Formwerte, ein
unwiderstehlicher Trieb zur künstlerischen Durch-
gestaltung des äußeren Lebens - mit wichtigen Be-
dürfnissen und Bestrebungen einer ganzen Zeit auf
denkbar günstige Weise zusammentrafen. Eine außer-
ordentliche Willenskraft, ein unbestechliches Urteil
und Qualitätsgefühl, ein unablässiger Drang zum
praktischen Durchsetzen des als besser Erkannten
befähigten ihn, ein Tätigkeitsfeld nach dem andern
zu erobern und seine Schau einer künstlerisch durch-
organisierten Lebensform, die im schönen und behag-
lichenHeim gipfelte, in die Wirklichkeit einzuarbeiten.

Er tat dies vornehmlich als Verleger von Zeit-
schriften und Büchern — aber an keinem Punkte
seines Lebens verhielt er sich theoretisch. Er war
auch als Verleger ein Kämpfer, ein Mann der tat-
sächlichen Wirkung. Nicht Lehrmeinungen gehen
von ihm aus, sondern Beispiel und Einsatz, Förde-
rung der Künstler, Beratung der Auftraggeber, An-
regung öffentlicher Stellen und eine unablässige
Propaganda für deutsche Haus- und Heimgestaltung.
Nicht ein System, nicht ein festgelegtes Bekenntnis
zu einer bestimmten Formungsweise bildet Alexander
Kochs Ausgangspunkt. Was ihn trieb, war nie etwas
andres als die unmittelbare Freude am Schönen, die
Lust am geschmackvollen Zusammenklang aller
Formen, die unser tägliches Leben umrahmen; und
diese Freude am Schönen war nicht rückblickend und
historisch-sammlerisch geartet, sondern sie verband
sich stets mit der Lust am produktiven Schaffen
bei sich und bei anderen.

Man versteht den Lebensweg Alexander Kochs nur
dann richtig, wenn man den lebhaften organisa-
torischen Trieb zu würdigen weiß, der in ihm
wirkte, namentlich als ein Trieb, überall auf das
praktische Bedürfnis zurückzugreifen, fremde Arbeit
anzuregen und durch richtige Gruppenbildung zu
unterbauen. Schon im ersten Heft der »Innen-Deko-
ration«, das am 10. Januar 1890 erschien, hat sich
das gezeigt. Mit Nachdruck trat die junge Zeitschrift
für eine deutsche Weltausstellung ein, zur Belebung
der deutschen Industrie; mit Nachdruck forderte sie
gegenüber dem Unverstand der damaligen Möbel-
fabrikation »einfach gezeichnete, jedoch mit Ge-
schmack hergestellte Möbel, die durch die Einfach-
heit eben nicht teuer sein sollen«. Es war der Arbeits-
gedanke, der sich bei Alexander Koch stets innig mit
dem Schönheitsgedanken und mit dem Gedanken

einer allgemeinen Volkskultur verband. Dies
hat ihn zu der einzigartigen Auswirkung gebracht
auf dem Felde der neuen Formbewegung, die darauf
abzielte, einen einheitlichen, schönen Lebensrahmen
aus zeiteigenen Kräften und Bedürfnissen durch zeit-
und volkseigne Arbeit zu erschaffen.

Hatte sich vorher - bis in die achtziger Jahre -
die Kunst abseits vom Leben gehalten, hatte sie die
Wohnform und die Gewerbeform unbekümmert der
Verwahrlosung verfallen lassen, so war Alexander
Koch einer der ersten, die den neuen Leitgedanken
aufstellten: »Die Kunst im Dienste des Lebens.« Das
hieß: Die Kunst im Dienste des weitesten prakti-
schen Bedürfnisses (vorab der Wohnung) und:
Die Kunst im Dienste der nationalen Arbeit und der
nationalen Kultur.

Nochmals: Nicht theoretisch hat sich dieser Ge-
danke in Alexander Koch dargestellt, sondern er hat
ihn schaffend herausgearbeitet, indem er überall da
Hand anlegte, wo es im Felde der Heim- und
Lebensgestaltung etwas zu tun gab. Er gründete 1888
die »Deutsche Tapeten-Zeitung«, weil er als Angehöri-
ger einer Darmstädter Tapetenfabrik bemerkte, wie
sehr der Geschäftszweig der führenden, ausgleichen-
den, ordnenden Arbeit eines Fachorgans bedurfte.
Er gründete 1890 die »Innen-Dekoration«, weil er die
deutsche Möbelindustrie gegenüber der durch her-
vorragende Zeitschriften unterstützten Möbelindu-
strie Englands und Amerikas benachteiligt sah. Von
der Tapete zum Hausrat, von der Wand zum Wohn-
raum - so griff sein Gedanke sinnvoll aus dem kleine-
ren ins größere Feld der Gestaltung; und genau in der
gleichen Richtung erfolgte sechs Jahre später die
Einbeziehung der gesamten Kunst in Alexander
Kochs Wirkungsbereich durch Gründung der »Deut-
schen Kunst und Dekoration«. Damit war der äußere
Rahmen geschaffen, innerhalb dessen das Programm
»Die Kunst im Dienste des Lebens« durchgeführt wer-
den konnte. Vier Jahre später folgte Alexander Kochs
großangelegte Fachzeitschrift für künstlerische
Frauen-Handarbeiten, die heute unter dem Titel
»Handarbeiten aller Art« im 36. Jahrgang erscheint;
1904 schloß die Monatschrift »Kind und Kunst«, die
sich hauptsächlich eine jugenderzieherische Aufgabe
setzte, die Reihe der Kochschen Gründungen ab.

Man sieht, diese Gründungen folgen einander nach
einer natürlichen Gesetzlichkeit. Nicht verlegerische
Berechnung hat sie hervorgebracht, sondern sie sind
durchgehends »Gelegenheits«-Schöpfungen aus dienen-
dem Eifer und aus Lust am nützlichen Tun. Sie ent-
stehen in der Weise, daß jede dieser Gründungen den
Blick auf ein dahinterliegendes weiteres Tätigkeits-
feld eröffnete, das dann mit rüstiger Tatkraft be-
treten wurde. An diesen organischen Aufbau des
Kochschen Lebenswerkes muß man denken, wenn
 
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