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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 51.1940

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Raumgefühle
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https://doi.org/10.11588/diglit.10972#0060

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INNEN-DEKOR AT ION

»KANTINE IM KELLERGESCHOSS« OESANDELTE KIEFER, BODEN UND ABSCHRAOUNOEN: SOLNHOFENER PLATTEN

RAUMGEFÜHLE

Raumgefühle sind die treuesten Begleiter auf uns-
rem Lebenswege, und sie beschränken sich
nicht auf unsere von Menschenhänden gebaute Um-
welt, sondern sie durchwirken weitgehend schon
unsere Beziehungen zur Landschaft. Die weite Hoch-
ebene, die Meeresküste, das enge Waldtal, die Felsen-
schlucht werden als Raumerlebnisse total geltend,
lange ehe uns ihre Einzelheiten fühlbar werden. Ja,
gerade die freie Landschaft beweist, daß es für uns
einen ausgesprochenen Zwang zu räumlichem Er-
leben gibt; denn nur in Gestalt von Räumen bietet
sich uns die Landschaft dar. Wir können gar nicht
anders, als unser Gesichtsfeld zum Raum organi-
sieren, und der mythische Ausdruck dafür ist die ur-
alte Anschauung von dem Geiste, der eine Örtlich-
keit beherrscht, vom Genius loci. Das Anregende,
das Erfrischende einer Wanderung beruht zu einem
guten Teile auf der reichen Folge von verschiedenen
Raumgefühlen, welche sie vermittelt. Der belaubte
Bogengang eines hochüberbuschten Waldpfades redet
das Gemüt mit den Empfindungen überwölbter Ein-

geschlossenheit und Heimlichkeit an. Dann dehnt
sich das Fühlen weit aus in der geräumigen Säulen-
halle hoher Buchenstämme, und mächtig weitet es
sich nachher beim Hinaustreten auf eine freie Fels-
altane, die eine gewaltige Talmulde oder gar die end-
lose Ebene voll von Ackerfeldern und Waldungen
vors Auge bringt. Aber auch da bleibt es »Raum«,
was Auge und Gemüt erleben. Wem sind nicht schon
die lagernden Wolkenschichten über einer großen
Talweite als der Plafond und die Randgebirge als die
Mauern eines ungeheuren Saales erschienen ? Selbst
die unbegrenzte Ebene hat für unser Auge ihre Be-
schränkung durch den Horizont (was ja wörtlich
»Grenzlinie« bedeutet), und das Himmelsgewölbe über
dem Gesichtskreis ist seit alter Zeit eben als Ge-
wölbe, als Kuppel angesehen worden.

Das Reich der bewußten Handhabung von Raum-
gefühlen ist die Baukunst, und je mehr sie in den
verschiedenen Zeiten als Baukunst auftritt, je mehr
sie über den Bereich der Notdurft hinausgreift, desto
deutlicher betätigt sie sich als Spenderin einer reich
 
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