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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 51.1940

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Michel, Wilhelm: Raumkunst im Lebensdienst
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https://doi.org/10.11588/diglit.10972#0062

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»SPEISESAAL DER OAUSCHULE STEINENHAUSEN« GESTALTET AUS VIER RÄUMEN DES ALTEN SCHLOSSBAUES

RAUMKUNST IM LEBENSDIENST

VON WILHELM MICHEL

Liest man, wie in früheren Zeiten die Kunstfertig-
t keit sich bemühte und vergnügte an den Einzel-
dingen des menschlichen Gebrauchs, wie sie Leuchter
und Teppich, Sessel und Tafelgerät hochtrieb zu
Schmuck und farbigem Prunk, dann wird man ge-
neigt, in der modernen Welt ein Reich der Nüchtern-
heit zu sehen. Klare Formen, reine Linien, gediegene
Arbeit in guten Werkstoffen, das ist es, was in Bauten
und Wohnräumen weithin an die Stelle des liebevoll
und ehrgeizig behandelten Einzelstücks getreten zu
sein scheint. Es fehlt in dieser modernen Welt gleich-
sam die Aufforderung, das einzelne Stück in die
Hand zu nehmen und der Arbeit des Meisters, seinen
besonderen Gedanken in der Ausführung nachzu-
gehen. Was soll ein tadellos gearbeiteter Stuhl, der
in einem halben Dutzend Exemplaren im Raum ver-
teilt steht, Besonderes oder Einmaliges zu sagen
haben? Ein Saal voll schönem Licht, verständig und
klar angelegt, eingerichtet mit guten Möbeln, die sich
im praktischen Gebrauch treu bewähren und mit
ihren Formen höchstens eine leichte, fließende Ge-

samtmelodie ergeben, - daran würde ein Kunst-
gefühl, wie es im Venedig oder Florenz des 15. Jahr-
hunderts lebte, weniges zum entzückten Verweilen
finden. Die Atmosphäre um diese Gestaltungen ist
ausgekühlt, sie ist nicht mehr durchwärmt von der
schönen Glut, die den Meister einst sein Bestes an
die einzelne Form wenden hieß.

Aber etwas andres führt diese moderne Gestaltung
mit sich, und ehe man dies begriffen hat als vollen
Gegenwert für das, was abhanden kam, ist man des
Grundprinzips heutiger Lebensgestaltung noch nicht
inne geworden. Das Neue in der modernen Gestal-
tung ist das Ernstnehmen des ganzen Menschen-
lebens, die Ehrfurcht vor dem Menschen nach dem
vollen Umfange seiner Existenz, mit Einschluß von
Essen und Schlafen, von Körper- und Gesundheits-
pflege im weitesten Sinne und selbstverständlich mit
Einschluß aller Rücksichten auf Menschenwürde und
höheres Seelenleben. Wir verwalten einen neuen, un-
endlich erweiterten Begriff von dem, was dem Men-
schen gebührt und was das Wort Menschenleben
 
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