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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 51.1940

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Kunst und Volk
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https://doi.org/10.11588/diglit.10972#0184

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174

INNEN-DEKORATION

KUNST UND VOLK

Die Kunst ist im Leben eines Volkes nicht durch
den Nutzen legitimiert, den sie ihm bringt, sondern
durch die wurzelhafte Notwendigkeit, mit der sie aus
dem gesunden Volksleben herauswächst. Wer fragt
die Mythen, die Sagen und Märchen, die ein Volk in
seiner jugendlichen Schöpferzeit hervorbringt, nach
ihrem »Nutzen«? Sie sind nicht auf Zwecke hin ent-
standen, sie sind wie das Singen, Träumen, Fabulieren
von Kindern, von Liebenden und Helden: Lebensaus-
druck, goldener Daseinsüberschwang. Kunst wird
nicht gemacht, Kunst wird geschaffen. Denn das
Machen ist Sache des abgelösten Verstandes, der
dürren Absicht, des berechnenden und bezweckenden
Individuums. Aber Schaffen bedeutet das Walten
tieferer, naturhafter Kräfte, die sich des Individuums
bedienen, nicht ihm unterworfen sind. Volksgeist
bringt Kunst hervor, freiwillig sind Kunst und Volks-
leben zusammengeschaltet. Vor und über allem
Zweckdenken liegt ihre Harmonie; und darum kann
diese Harmonie auch allen Wechsel der buchstäb-
lichen Kulturinhalte überdauern. Sie ist zu allen

Zeiten realisierbar; nicht nur in der Epoche des
Spinnrads, sondern auch in der der Autobahnen.

Es ist deshalb mit der aus früheren Zeiten bekann-
ten Losung »Kunst fürs Volk« eine mißliche Sache.
Hat dieses Wort nicht einen falschen Ton? Ist da
nicht plötzlich unter »Volk« etwas ganz andres ver-
standen als jene große, mächtige Wesenheit Volk, die
Herr und Erzeuger der nationalen Kultur ist? Liegt
nicht etwas von Herablassung darin, etwas von dem
alten törichten Volksbegriff, der zum Volk nur die
sogenannten breiten Schichten rechnete und gerade
die höchsten Aufgipfelungen des Volkslebens, in
welchen der nationale Genius seine herrlichsten
Selbstbekundungen schuf, als volksfremd betrach-
tete? Liegt nicht in der Losung »Kunst fürs Volk«
eine Gefahr für die Kunst, indem sie auf allzu enge
Weise auf glatte Eingänglichkeit verwiesen wird ?
Muß darunter nicht die schöpferische Kühnheit, der
Mut zum Wagnis leiden ?

Mit solchen Fragen hat sich jüngst in der »Domus«,
der führenden kunsthandwerklichen Zeitschrift Ita-
 
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