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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 51.1940

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Michel, Wilhelm: Der Reiz der beweglichen Raumdinge
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https://doi.org/10.11588/diglit.10972#0376

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366

INNEN-DEKORATION

KAFFEESERVICE »NEU-BERL1N« ENTW. TRUDE PETR1 UND ELSE MÖCKEL, STAATL. PORZELLAN-MANUFAKTUR —BERLIN

DER REIZ DER BEWEGLICHEN RAUMDINGE

Im Bild unsrer Wohnräume spielen die festen, unbe-
weglichen Bestandteile die Hauptrolle. Die Möbel
und die Teppiche, die Dekorationsgewebe an Fen-
stern, Türen und Polsterbezügen, auch Wandbeklei-
dung und Wandschmuck zählen zu diesen festen Ele-
menten. Sie geben dem Raum die Struktur, das Ge-
rüst, sie prägen die Stimmung, das Raumgefühl. Aber
freundlich spielen Tag für Tag veränderliche Elemente
durch die Räume und geben den einzelnen Stunden
einen wechselnden Klang. Die Vasen und Schalen
füllen sich heute mit großen, bunten Herbststräußen,
dann machen diese vielleicht den Astern und Chrysan-
themen Platz, dann nicken weiß und lichtgrün die
ersten Schneeglöckchen über den Schalenrand, und
so geht es, prächtiger oder bescheidener, durchs Jahr
hin mit vielen wechselnden Farben und Stimmungs-
stufen. Und auch die Geräte aus klingendem Por-
zellan, mit denen wir den Tisch beschicken, sind
solche beweglichen Elemente, die mit wechselnden Ge-
stalten oder Ziermotiven das Auge erfrischen, und
durch das Auge auch das Gemüt. Es ist ja nicht immer

das gleiche Service, das aufgetragen wird. Wie das
Porzellan seinen Hersteller verlockt, immer wieder
ein neues Dekor zu erfinden, so gefällt es auch der
Hausfrau, sich zur Teestunde mit wechselndem Tisch-
gerät zu zeigen. Jedes Gedeck bildet in seinem Son-
dercharakter eine Art Musikstück fürs Auge, dem die
erfrischende Wirkung sicher ist, weil es jeweils nur
für kurze Zeit in Erscheinung tritt. Was liegt näher,
als dem spielenden Geiste des schönen Materials zu
folgen und für die einzelnen Gelegenheiten verschie-
dene Service bereitzuhalten oder ein neues aus purer
Freude anzuschaffen, nicht nur aus Not! Leise und
unaufdringlich plaudert die hübsche Form in der
Unterhaltung mit, und durch die Einheitlichkeit des
Dekors wird der liebevoll gedeckte Teetisch zu einem
artigen, umzirkten Zusammenhang. Das soll ein guter
Teetisch ja sein : ein wohldurchgeformtes Dingsystem
von ästhetischem Reiz, das sich im Raum lächelnd
entfaltet, ein wenig klingt und schimmert, mit Grazie
dient und eine kleine zärtliche Sonderwelt darstellt,
die auch als reines Schauspiel Freude spendet. - w.M.
 
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