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Nr. 4

internationale Sammler-Zeitung.

Seite 27

köstlich an, wenn wir z. B. hören, daß in den Kriegen
Louis XIV. Rasttage eingeschoben wurden, damit die
Herren ihre derangierten Spitzen an ihren Aermeln,
Röcken und Hosen wieder in Ordnung bringen konnten.
Auch Marie Antoinette macht noch bei ihrer Toilette reich-
lich Gebrauch von der Spitze — wir sprechen ja vom Fichu
Maria Antoinette - und auch Louis XVI. trägt am Jabot und
sonst an seinem Anzug noch viel Spitzen. Im 19. Jahr-
hundert aber verschwindet die Spitze vom Anzug der
Herren völlig, und auch die Toilette der Dame zeigt
spärlichen Gebrauch. Immer mehr verdrängt die Ma-
schinspitze die edle Spitze. Schneiderinnen und Trä-
gerinnen finden es gleichmässig bequemer, die unedle
Spitze zu verwenden, die von der Schneiderin beliebig
zerschnitten werden kann, und von der Trägerin nicht
geschont werden muss. So ist in den letzten Jahren
die wertvolle Spitze ganz äusser Mode gekommen, es
ist fast unelegant, eine edle Spitze zu tragen. Dass
freilich die Maschinspitze niemals die Weichheit der
echten Spitze erreicht, weil der Faden spröder sein
muss, dass ihre Muster niemals die gleiche edle, d; h.
komplizierte und fein verteilte Linienführung haben
können, dass infolge dessen die Maschinspitze ihre
Trägerin nicht so ziert, ihr nicht so schmeichelt als die
echte Spitze, das fällt offenbar heute, bei unserem ver-
gröberten Geschmack nicht mehr sehr ins Gewicht.
Die Maschinspitze ist billiger, sie ist bequemer und
passt sich der ewig wechselnden Mode mehr an. Da-
rum ist die echte Spitze heute fast ganz von den
Kleidern verdrängt, sie schmückt nicht mehr die schöne
Frau sondern den Biblotkasten. Dahin hat sich die
einst so gesuchte Schöpfung edler Frauenkunst heute
zurückgezogen, und wir müssen es beinahe als erfreu-
lich bezeichnen, dass dem so ist. Denn da edle Spitzen
heute nicht mehr geschaffen werden, so werden die
alten vorhandenen Stücke dort im Biblotkasten am
sichersten ihre Erhaltung finden. Und wie herrlich
passen diese alten Spitzen dort hinein ! Rokokospitzen
und Porzellan, sie sind Geist vom selben Geist, und
es ist nur sehr wunderlich, dass dieselben Menschen,
die heute mit so viel Eifer reizende Rokokoporzellane

oder Empireschalen sammeln, noch nicht entdeckt haben,
dass dieselbe subtile Grazie in einer schönen Spitze
zu finden ist, wie in einer Meißner oder Alt-Wiener
Figur. Aber es gehört zu diesem Sinn für Spitzen eine
Kultur, die heute auch bei Sammlern nicht mehr häufig
ist. Vielleicht trifft ein Bonmot hier das Entscheidende.
Man erzählte sich vor dem Kriege einmal die hübsche
Anekdote, dass eine neue reichgewordene Dame einer
Aristokratin auf einem Balle stolz erzählte, dass sie
kostbare Spitzen für eine neue Toilette erworben habe,
worauf die Aristokratin erstaunt sagte: „Aber Spitzen,
die kauft man doch nicht, die hat man doch I“
Uebrigens, für eines werden jetzt doch noch
Spitzen gekauft, manchmal alte, und häufig auch gute
neue, wie etwa die Wiener Werkstättenspitzen, oder
die guten, französischen Nachahmungen alter Muster.
Ich meine wieder für Zimmerschmuck, und zwar für
das „Deckerl“ auf den Salontisch, oder für ein ele-
gantes Milieu auf den Speisetisch. Gerade Wien
arbeitet ja viele solcher Salondeckchen, die oft sehr
zierlich und reizvoll sind, die aber andererseits mit
Spitzen häufig höchste Barbarei treiben. Um das
Deckchen abwechslungsreich erscheinen zu lassen,
werden Spitzen rücksichtslos zerschnitten, und man
mischt auch alte gute Spitzen ganz wahllos mit schlechten,
und unechten, was wieder ein Beweis der Verständnis-
losigkeit vieler Arbeiterinnen und der Käuferinnen ist.
Augenblicklich sind diese Spitzendeckchen die gang-
barste Ware. Denn auch von der Wäsche wird die
echte Spitze immer mehr als allzugrosser Luxus ver-
drängt. Es ist ganz interessant, dass die moderne
Wäsche fasstausschliesslich als Zierrat die Weißstickerei
und den Hohlsaum, also die Durchbrucharbeit, ver-
wendet. So scheint es fast, dass Anfang und Ende der
Spitzenkunst sich wieder berühren, und dass die halt-
bare Durchbrucharbeit in unserer armen Zeit vorläufig
die Spitze vielfach auf Gebrauchsgegenständen ersetzen
muss. Um so schöner, wer heute noch Spitzen sammelt,
obwohl, wie ich ja hier auseinandergesetzt habe, das
begreiflicherweise äusser Mode gekommen ist und man
sie nur sammelt aus Verständnis für ihren inneren Wert.

^Kärntner Sammlungen.
Von Michelangelo Baron Zois, Klagenfurt.
111*

Von den verschiedenen größeren Orten in Kärnten
besitzen nur Villach und Friesach nennenswerte
Sammlungen. Zwar hat auch St. Veit ein Lokalmuseum,
doch enthält es nur einen geringen Bestand, der, so
viel ich sehen konnte, ziemlich wertlos ist. Allerdings
ist nicht ausgeschlossen, daß irgendwo sich ein besseres
Stück befindet. Denn als ich das Museum sah, diente
es als Mehldepot und war dementsprechend verkramt
und verstaubt.
In Friesach ist in erster Lienie wohl das kleine,
im Gemeindehause untergebrachte Museum zu nennen,
welches sozusagen das Tipfelchen auf dem i ist. Der
ganze reizende, von geschichtlichen Erinnerungen durch-
tränkte Ort ist ja selbst ein Museum und enthält in
seinen Kirchen so viele Kunstschätze, daß man, um das
Städtchen wirklich kennen zu lernen, wenigstens drei
Tage benötigt; und ich glaube, ich kann mit Fug und
Recht insbesonders die deutsche Ordenskirche nennen,
welche der kunstsinnige Bischof Graf Petenegg mit
Teilen seiner reichen Sammlungen geschmückt hat. Er
hat gotische Altäre, gotische Figuren, allerlei Zierrat in
*) Siehe die Nummern 2 und 3 des laufenden Jahrgangs.

dieselbe gestiftet, und da die Kirche selbst eine große
Anzahl von Totenschildern besaßest sie zu einer Sehens-
würdigkeit geworden. Allerdings überragen die Glas-
fenster der Stadtpfarrkirche die meisten Objekte der
deutschen Ordenskirche an Qualität; und da ich den
ganzen Ort als eine Einheit auffasse, erwähne ich noch
das Kruzifix der Dominikanerkirche, das in seiner Dar-
stellung des toten Erlösers mich immer wieder an
Matthias Grünewald erinnert. Ich weiß zwar nicht wie
ein kunstgeschichtlicher Zusammenhang zwischen Colmar
und Friesach herzustellen wäre, werde aber das Gefühl
nicht los, daß hier ein solcher irgendwie vorhanden ist.
Wenn wir nun zum Museum selbst übergehen, so
müssen zunächst einige jüdische Inschriftsteine, dann
frühromanische Baureste, wie Säulen, Chorschranken
erwähnt werden, die in einem kleinen Lapidarium vor
dem Museum sich befinden. Auch sei auf das Portal
des abgetragenen kleinen Karners verwiesen, welches
im ersten Stocke des Gemeindehauses aufgestellt, den
Eingang in das Museum bildet.
Dieses Museum ist das Denkmal eines jener Typen,
die nur in Alpenländern gedeihen. Denn ein Kunst-
gegenstände sammelnder Schuster hat es geschaffen,
 
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