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Internationale
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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde,
Herausgeber: Norbert Ehrlich.
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17. Jahrgang. Wien, 15. April 1925. Nr. 8.
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Eduard v. drützner.

Wie aus München gemeldet wird, ist dort der
bekannte Maler Prof. Eduard v. Grützner im Alter
von 79 Jahren gestorben. Mit ihm ist einer der liebens-
würdigsten Vertreter der klassischen Münchener Genre-
malerei aus dem Leben geschieden. Er zählt nicht zu
den * problematischen Gestalten der modernen Kunst-
geschichte. Sein Schaffen ist schlicht, frisch und natürlich,
und eben diese Eigenschaften haben dem Künstler weit
über die Grenzen Deutschlands hinaus Ruf und Verehrer
gewonnen. Den Kenner erfreut an seinen Werken der
echte und redliche malerische Sinn, der am feinsten im
Stilleben zur Wirkung kommt; das große Publikum aber
hat Grützner gleichsam im Sturme durch seine glückliche
Erfindungsgabe und seinen herzhaften Humor erobert.
Erfindung und Humor, beide sind bei Grützner echt-
Er malte keine Theater-Genrebilder, künstlich ausge-
sonnen und mühsam zusammengestellt, sondern er hat
all die gemütlichen Stunden behaglichen Genusses
unter den geistlichen Herren und den Mönchen, er hat
seine frischen Jäger und — nicht zuletzt — er hat
seine Falstaffgestalt wirklich erlebt; es ist Blut von
seinem Blute in all diesen so bekannt gewordenen
Figuren, und das ist es, was ihnen Ueberzeugungs-
kraft verleiht.
Sein Leben hat sich insofern glücklich gestaltet,
als er sogleich, nachdem er das eigentliche Feld seiner
Begabung gefunden hatte, zu Anerkennung und Erfolg
gelangen konnte. Zu Großkarlowitz bei Neisse in Schlesien
als Sohn eines Landwirtes geboren, der sieben Kinder
und für sie nicht allzuviel zu essen hatte, mußte der
junge Eduard schon frühzeitig sich nützlich zu machen
suchen. Auf dem Felde und beim Viehhüter tat er sein
Bestes; weil er sich aber frühzeitig als ein geweckter
Junge zeigte, so wandte der Ortspfarrer Fischer ihm
seine Teilnahme zu. Er nahm sich der Ausbildung des
Jungen an, er verlor auch nicht das Interesse und die
Geduld, als sein Schützling auf der Schule nicht recht
mit wollte und es sich herausstellte, daß nie und nimmer
ein „geistlicher Herr“ aus ihm werden würde; er er-
wirkte seine Uebersiedlung nach München und öffnete
ihm so die Pforte zu dem Berufe, auf den Grützner
eine frühbewährte Begabung deutlich hin wies. In München,
wo der junge Schlesier im September 1864 eintraf,
arbeitete er in der Akademie mit voller Hingabe, und
1867 war er so weit, daß er in die Schule Pilotys ein-
treten konnte. Pilotys Ideal war es, seine Schüler zu
Historienmalern heranzubilden; von solchen ist schließlich
aus der Schule nur eine kleine Anzahl hervorgegangen,

aber eine ganze Reihe hochbedeutender Talente hat
durch Piloty die wirksamste Förderung erfahren, und
so bildet sein Ruhm als Lehrer gerade das, was er
seinerzeit persönlich als Fehlschlag empfunden haben
mag. Mit Grützner ist es ihm auch nicht anders ergangen.
Vergebens quälte der sich an einem Motiv aus der
englischen Geschichte; aber während einer Abwesenheit
seines Meisters im Jahre 1868 malte er, frei aus sich
heraus, sein erstes Mör.chsbild „Im Klosterkeller“, und
als Piloty zurückkam und sich das Bild beschaute’ da
saß er, wie Fritz v. O s t i n i erzählt, lange schweigend
davor, um dann aufzustehen und „Brav“ zu sagen. Wieder
einer, der derGeschichtsmalerei durch die Lappen ging und
der doch — odervielleicht eben deshalb? — ein ganzer
Kerl und Künstler war! Das Mönchsbild fand bald, wie
Pilotys, so auch anderer Anerkennung; es ward verkauft,
und auch seine Nachfolger gingen ab, wie man zu sagen
pflegt, wie warme Semmeln.. Schon nach drei Jahren
Münchener Arbeit war Grützner im sicheren Hafen.
Lang ist ja nun die Reihe der Bilder, fast unübersehbar
die Zahl der Motive, die er dem weltlich-behaglichen
Leben der bayerischen Klöster abgewonnen hat. Im
Refektorium, im Braustübl, im Weinkeller, in der
Bibliothek, überall hat er die Freuden der Patres und
Fratres belauscht und mit anteilnehmendem Vergnügen
fröhlich geschildert, ohne je ins Plumpe zu verfallen
oder sich gar einer unartigen Ironie schuldig zu machen.
Vielleicht muß man es beklagen, daß ein so be-
gabter Künstler sich durch die Beschränkung auf diesen
seinen Lieblingskreis von Motiven einer gewissen Ein-
seitigkeit hingegeben hat. Ein Gegengewicht bilden zum
Glücke seine Falstaff-Bilder und -Zeichnungen, deren
Anfänge gleichfalls schon in seine Frühzeit, ins Jahr
1869, zurückgehen. Die besten Schöpfungen auf diesem
Gebiete besitzt das Breslauer Museum in der Reihe
von Falstaffzeichnungen, die vor allen verwandten
Schöpfungen Grützners durch Unmittelbarkeit und
Geist der Erfindung wie der Ausführung an erster Stelle
stehen. Die Gestalt des dicken Sir John hat Grützner
mit einer seltenen Ueberzeugungskraft auf die Beine
gestellt; den Trinkerhumor der berühmten Wirtshaus-
szenen hätte wohl kaum ein anderer so übermütig-
behaglich wiederzugeben vermocht, und alle bei den
Falstaff-Szenen mitwirkenden Personen sind fein, über-
zeugend und zugleich liebenswürdig charakterisiert. Was
Freiheit, Geist und Originalität betrifft, dürfen Grützners
Falstaff-Darbietungen wohl als die Krone seines Lebens
bezeichnet werden.
 
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