Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Seite 232

INTERNATIONALE SAMMLER - ZEITUNG

Nr. 21

483 Marmorstatue der liegenden Ariadne nach der An-

tike, Anf. 19. J. 85
484 Fußschemel . 20
485 Flügel von Johann Fritz, Wien, 1830 . 300

487 Tischdecke aus alten Brokatteilen und Kirchen-

paramenten zusammengestellt . 35
489 Tapisserie mit biblischer Szene, 2. H. 16. J. 45
493 Tina Blau, Blick auf Rothenburg a. d. Tauber . . • 320

Carl Würfels.
Ein Gedenkwort von Alexander Grosz (Wien).

Einer unserer großen Uhrensammler und För-
derer der Uhrmacherkunst, Carl M a r f e 1 s, ist
nicht mehr. Vor mir liegt ein Schreiben von ihm
vom 10. September d. J.; ich wende es hin, ich
wende es her und immer kann ich es nicht fassen,
daß es das letzte gewesen sein soll. Eine feste, aus-
drucksvolle Schrift, wie gestochen. Vielleicht haben
auch starke materielle Unannehmlichkeiten, von
denen er mir darin erwähnt, beigetragen, das Ende
zu beschleunigen. Es wäre banal von mir, einem
Self-made-man, wie Marfels einer im wahrsten Sinne
des Wortes war, nur einige trockene biographische
Daten zu widmen, sein Lebenslauf freilich würde ein
x Buch für sich bilden. So will ich denn nur in Kürze
meines persönlichen Verkehrs mit ihm gedenken
und dessen, was er mir selbst von sich erzählte,
Carl Marfels war in einem kleinen hessischen
Dorfe im Jahre 1854 geboren und kam nach der
Schule, 15jährig, zu Ludwig & Fries, einer bekannten
Uhren- und Uhrfurnituren-Großhandlung in Frank-
furt am Main in die Lehre, Ausdauer und eiserner
Fleiß, verbunden mit kaufmännischen Geist und
Weitblick ließen ihn bald höher kommen, als andere
junge Leute seines Alters. Kaum 19jährig ging er für
die Firma auf Reisen und hatte diese Stelle fast 20
Jahre inne.
Auf diesen und seinen späteren Reisen lernte er
die verschiedenen Museen kennen, fand Gefallen an
antiker Kunst, lernte Sprachen und Kunstgeschichte,
bildete und vertiefte sich durch deren intensivstes
Studium. Er erfreute sich vorerst, seinen geringen
Mitteln entsprechend, an alten schönen Ziffernbdät-
tern, feinen Uhrkloben und begann, so wie seine
Ersparnisse es erlaubten, auch schon kunstvoll aus-
geführte alte Uhren zu sammeln. So erwarb er sich
mit der Erkenntnis eines guten Verdienstzweiges,
als guter Kaufmann der er auch als Sammler immer
war, scharfen Blick für wertvolle Uhren, die er
kaufte und häufig mit sehr guten Nutzen reichen
Sammlern weiter verkaufte, um immer wieder noch
wertvollere Stücke erwerben zu können. Der Name
Marfels bekam in Sammler- und Händlerkreisen
besten Ruf und wo ein besonderes, seltenes Stück
zum Vorschein kam, wurde es Marfels angetragen.
Er scheute dann auch keine weite Reise, um die
Uhr zu erwerben und war sie wirklich tadellos, war
ihm auch bald kein Preis zu hoch.
Durch einen Artikel über seine_ schon ansehn-
liche Sammlung von hauptsächlich hochwertigen
Goldemaille-Uhren aus der ersten Hälfte des 17. J.
in der „Frankfurter Zeitung“ wurde er mit dem Be-
sitzer der „Deutschen Uhrmacher Zeitung“ bekannt,
der ihm die Zeitung zum Kaufe antrug. Marfels nahm
das Anbot an und übersiedelte 1893 nach Berlin,
sicherte sich einen Stab hervorragender Mitartieiter
und brachte die Zeitung bald auf eine hohe, fast
dominierende Stufe. Er gründete 1897 den deutschen
Uhrmacher-Bund, in dessen Vorstand als korrespon-
dierendes Ausschußmitglied für Wien ich die Ehre
hatte, 1918 gewählt zu werden.
Ich selbst habe Marfels während meiner Gehil-
fenzeit bei H. Gustav Schlesicky in Frankfurt a. M.
1893 durch Ludwig & Fries kennen gelernt. In nähe-

ren beruflichen und freundschaftlichen Verkehr kam
ich aber erst nach meiner endgültigen Rückkehr
nach Wien nach der Pariser Weltausstellung 1900;
vorerst schriftlich, dann auch persönlich gelegentlich
seines Wiener Aufenthaltes 1902, 1906, 1908 und
nach dem Kriege mehrere Male.
Wie ich schon in meinem Tagebuchaufsatze an-
läßlich meiner Schwarzwaldreise 1928 erzählte, wur-
den 1905 der Peter Hele Brunnen in Nürnberg und
1910 die Kunstuhr „Der Meistertrunk“ in Rotenburg
ob der Tauber enthüllt, die beide eigentlich der
Initiative Speckharts und der finanziellen Hilfe Mar-
fels ihre Entstehung verdanken. Bekannt ist auch
sein Ankauf der Droz‘schen Androiden (Autometer),
des Zeichners, des Schreibers und der Klavierspie-
lerin, welche er nach der mühevollen Reparatur
durch den Chronometermacher Fröhlich in Berlin,
in Neuchatel ausstellte und die die Societe d'Histoire
de Neuchatel um den Preis von 75.000 Francs, der
durch Spenden aufgebracht wurde, erwarb.
Einen Teil seiner Sammlung herrlichster Louis
XIII. Goldemaille-Uhren verkaufte Marfels 1908 an
Pierpont Morgan, dessen Vertrauensmann er ge-
worden war, um 1,500.000 Fr„ bald darauf den zwei-
ten Teil um 1,000.000 Fr., sammelte aber weiter für
sich und hatte bald wieder zwölf prachtvolle Uhren
beisammen, die er stets in dieser Anzahl erhielt.
Viel Aufsehen erregte vor zirka drei Jahren der
Ankauf aus Wiener Privatbesitz einer gotischen
Uhr mit Schnecke, Saite und runder Unruhe, angeb-
lich aus dem Besitz Philipp des Guten v o-n
Burgund, um 1430, stammend, zu deren Begut-
achtung er mich im Februar 1927 nach Dresden ein-
lud. Schon 1901 hatte sich Marfels für die Uhr inter-
essiert und den damals schon hohen Preis von 5000
bis 10.000 Mark für sie anlegen wollen, doch war der
Eigentümer, Sektipnschef Maximilian Edler von
Leber ganz unzugänglich. Die Uhr, über deren
Echtheit die Meinungen in Oesterreich und Deutsch-
land geteilt waren, und noch sind, war mit der
Sammlung seiner Emaille-Uhren im Mathemat.
Physikalischen Salon in Dresden und in verschie-
denen Städten Deutschlands, auch in München, wäh-
rend der Tagung des Zentralverbandes 1927, zuletzt
in Amerika ausgestellt.
Marfels hat zahlreiche interessante Abhandlun-
gen fachlicher wie auch philosophischer Art ge-
schrieben; die Kataloge und Veröffentlichungen
über seine Uhrensammlung und über die gotische
Uhr sind Prachtwerke. Für seine Verdienste um die
Uhrmacherei wurde er mit dem Verdienstkreuz des
heil, Michael ausgezeichnet. Seinen 1920 in Neckar-
gemünd erworbenen Besitz vertauschte Marfels mit
einer reizenden Villa in Homburg v. d. Höhe, wo er
nun am 11. Oktober 1929 gestorben ist.
Der Name Carl Marfels wird in der Kunst- und
Sammlerwelt immer mit an erster Stelle genannt
werden. Ich selbst verliere an ihm einen guten alten
Freund und Berater.
Versteigerung der Marfels’schen Uhren,
Das Kunstauktionshaus Hugo H e 1 b i n g in
Frankfurt am Main teilt uns mit: Im Anschluß
 
Annotationen