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andern Sinne behandelt habe und weit entfernt von der scho-
nenden Mässigung unseres Künstlers war, der auch die
Härte des altern Epos in seiner Darstellung zu umgehen
und zu mildern wusste, so dürfen wir annehmen, dass die
Tragödie die Schauder und Schrecken erregende Begebenheit
ihrem Bedürfnisse gemäss weiter ausgebildet habe, schon
aus dem Grunde, weil wir sie in der später allgemein ge-
wordenen Sage, und diese ward ja hauptsächlich durch das
Drama gestaltet, in solcher Weise vorfinden. Denn leider sind
uns über die Werke der grossen Tragiker, welche diesen
Theil der Sage betrafen, nur sehr ungenügende Notizen
enthalten. Zwar führt Aristoteles (poet. 23, 7.) als Stoff
der Tragödie 'Iki's iriipfts und äxi-n-Xsi; an, also grade die
Abtheilungen des Polygnotischen Gemäldes, giebt aber nichts
näheres an. Wenn gleich sehr wahrscheinlich ist, dass Ai-
schylos Tragödie im Ganzen mit dem Charakter der Poly-
gnotischen Kunst mehr übereinstimmte (Welcker, Aesch. Tril.
p. 442.), dass er den Frevel des Aias in ähnlicher Weise
behandelte, so lässt sich doch genaueres nicht bestimmen.
Von dem Inhalt des Sophokleischen Sinon und Priamos ist
leider durchaus nichs bekannt, allein die Rückführung der
Helena ins Lager, der Tod des Astyanax und der Potyxena
waren von ihm auf eine Weise behandelt, welche von der
unsers Künstlers abweicht. Was aber Euripides anlangt, so
genügt eine Vergleichnng der noch erhaltenen Stücke, um
zu beweisen, in wie verschiedenem Geiste er diese Sage
auffasste und behandelte; und Böttigers Vermuthung (Arch.
d. Mal. p. 287.), dass Polygnotos Gemälde in der Poikile
in einiger Beziehung zu Euripides Troerinnen gestanden
habe, erscheint ganz unwahrscheinlich.
Zur Zeit des Polvgnotos, und wohl grösstentheils durch ihn,
war die Malerei bei den Griechen zu einer äusseren und inneren
Bedeutung gelangt, welche sie nicht wieder erreichen konnte.
DieAusschmückung derlleiligthümer und öffentlichen Gebäude,
Darstellung der Götter- und Heroenmythen, die Verherrli-
chung vaterländischer Grossthaten, in weitestem Umfang und
grossartigem Zusammenhang, fiel ihr zu, und die Bildhauer-
kunst stand hinter ihr zurück, grosse Bildner, wie Onatds
B 4*
andern Sinne behandelt habe und weit entfernt von der scho-
nenden Mässigung unseres Künstlers war, der auch die
Härte des altern Epos in seiner Darstellung zu umgehen
und zu mildern wusste, so dürfen wir annehmen, dass die
Tragödie die Schauder und Schrecken erregende Begebenheit
ihrem Bedürfnisse gemäss weiter ausgebildet habe, schon
aus dem Grunde, weil wir sie in der später allgemein ge-
wordenen Sage, und diese ward ja hauptsächlich durch das
Drama gestaltet, in solcher Weise vorfinden. Denn leider sind
uns über die Werke der grossen Tragiker, welche diesen
Theil der Sage betrafen, nur sehr ungenügende Notizen
enthalten. Zwar führt Aristoteles (poet. 23, 7.) als Stoff
der Tragödie 'Iki's iriipfts und äxi-n-Xsi; an, also grade die
Abtheilungen des Polygnotischen Gemäldes, giebt aber nichts
näheres an. Wenn gleich sehr wahrscheinlich ist, dass Ai-
schylos Tragödie im Ganzen mit dem Charakter der Poly-
gnotischen Kunst mehr übereinstimmte (Welcker, Aesch. Tril.
p. 442.), dass er den Frevel des Aias in ähnlicher Weise
behandelte, so lässt sich doch genaueres nicht bestimmen.
Von dem Inhalt des Sophokleischen Sinon und Priamos ist
leider durchaus nichs bekannt, allein die Rückführung der
Helena ins Lager, der Tod des Astyanax und der Potyxena
waren von ihm auf eine Weise behandelt, welche von der
unsers Künstlers abweicht. Was aber Euripides anlangt, so
genügt eine Vergleichnng der noch erhaltenen Stücke, um
zu beweisen, in wie verschiedenem Geiste er diese Sage
auffasste und behandelte; und Böttigers Vermuthung (Arch.
d. Mal. p. 287.), dass Polygnotos Gemälde in der Poikile
in einiger Beziehung zu Euripides Troerinnen gestanden
habe, erscheint ganz unwahrscheinlich.
Zur Zeit des Polvgnotos, und wohl grösstentheils durch ihn,
war die Malerei bei den Griechen zu einer äusseren und inneren
Bedeutung gelangt, welche sie nicht wieder erreichen konnte.
DieAusschmückung derlleiligthümer und öffentlichen Gebäude,
Darstellung der Götter- und Heroenmythen, die Verherrli-
chung vaterländischer Grossthaten, in weitestem Umfang und
grossartigem Zusammenhang, fiel ihr zu, und die Bildhauer-
kunst stand hinter ihr zurück, grosse Bildner, wie Onatds
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